Performance

Mir kam relativ oft das Thema „Performance“ unter, das ja irgendwie auch mit Dada zu tun hatte. Es geht und ging dabei scheinbar auch um einen Zustand absoluter Konzentration in Kombination mit absolutem „Gehenlassen“. Wie geht das zusammen? Eine Voraussetzung dafür scheint das Heraustreten aus einer „Komfortzone“ zu sein, also das Heraustreten aus dem, was wir kennen und was uns behagt, in dem wir uns eingerichtet haben. Vielleicht strebt eine „Performance“ so etwas wie einen Rauschzustand an. Die sogenannten Dadaisten trafen sich nach ihrem Cabaret-Voltaire-Abenteuer in Zürich nun in Paris, um sich mit den Surrealisten zu umgeben. Andre Bréton, Francis Picabia oder Tristan Tzara mögen Namen aus dieser Szene sein. Die Surrealisten vermuteten so etwas wie Erlösung oft in sich selbst, im Unbewussten und weniger, wie von einigen Dadaisten so gepflegt in mystischen Zusammenhängen. Der Wille zum Schock und das Anzapfen geheimer Triebe und überhaupt: des archaischen Unbewussten mögen eine gewisse Gemeinsamkeiten signalisiert haben: was blieb, war der konstruktive Konflikt. Die Kanalisierung in eine Idiologie war bei diesen Leuten nicht möglich, geschlossene Weltbilder wurden ohnehin verabscheut. Nach dem 2. Weltkrieg traf man sich am Black Moutain College in North Carolina und war sich in Aktionen einig, bei denen unter anderem auch der große Musiker John Cage und der Maler Robert Rauschenberg mitmachten. Cage wandte sich später fernöstlichem Gedankengut wie dem Zen-Buddhismus zu. Rauschenberg war ein Liebling der Pop-Art-Szene. Seine Werke hängen heutzutage hochdekoriert und -bezahlt in den angesehensten Museen der Welt. Man veranstaltete damals gemeinsame „Untitled Events“, bei denen verschiedene Kunst verschiedener Herkunft gleichzeitig aufgeführt wurde.

Kokon aus Musik

Ich ertappe mich dabei, wie ich immer wieder „One“ höre, in der Version von Johnny Cash. Ob es da etwas ausmacht, dass das für mich etwas (end)Gültiges hat? Oder ob es mir nur einfach gefällt? Das Baden im schönen Weltschmerz? Kitschy? Dann auch „Bird on the wire“, Beides uralte Songs, die mich begleitet haben, die immer da waren. Ich höre die Version von Tim Hardin. Im Unterschied zu der von Leo Cohen ist sie nackt, unumwunden, niederschmetternd für das Ego. Jedenfalls tief gehend. Themen, Motive, die mich umspülten, einhüllten, Trost gaben, aufmunterten, Richtungen, Möglichkeiten zeigten. Jetzt gewinnen sie einen anderen Ernst. Ja klar, prominente Songs. Jeder ab einem bestimmten Alter kennt sie. Aber sie gewannen Persönliches für mich. Es gab einen Kokon aus Songs, Ausdrücken, emotionalen Statements, die mich – wie das „Geschäft“ sagt – berührten und immer wieder auf mich zukamen. 

Popular Zeitgeist

Amy Winehouse, Jimi Hendrix, Jim Morrison und andere Rockstars: alle mit 27 Jahren gestorben. Haben kurz und intensiv aufgeblüht. Sie sind dann in ihrem eigenen Mythos untergegangen und ins Grab gesunken. Die Rockszene hat romantische Projektionen darüber gesponnen. Auch weil es einmal dem Zeitgeist entsprach. Die Welt romantisieren: kurz und intensiv der Ekstase entgegen, mit flirrenden Versen und einem aus dem tiefsten Innern kommendem Impuls des Musischen. Voller Visionen und unerreichten Horizonten. Die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit erkunden. War es das? Oder war es ein Spiel mit Versatzstücken, berechnend und kalt? Der heutige Zeitgeist würde einem solches mit einem Grinsen nahe legen. Die endliche Existenz überwinden: ob da auch Drogen ihre Rolle gespielt haben mögen? Nicht nur die Technoszene gibt da eindeutige Antworten. Im Rausch der Maschinen in eine spezielle Hypnose kommen. Die ihre Macht über uns ausübte, lange vor KI. Das alles nun wiederum wäre der Romantik kaum anzulasten. Ihre Romantisierung will sie meist aus sich heraus und nicht mit wundersamen Hilfsmittelchen erreichen. Oder? Kam etwa die englische Romantik da auch ein bisschen ins genussvolle Schleudern? Shelley, Byron und ähnliche Geister, deren späte Nachfolger sich in der Gothic-Szene tummelten? Romantizismen solcher Art sind in der Popmusik längst verschwunden und eiskalten Marketing-Strategien gewichen, so scheint es. Die zeitgeistige Welt ist aus dieser Sicht codiert, hat in all ihren Elementen ihre Funktion, die es unter wissenschaftlichen Aspekten zu erkennen gilt. Positivistisch. Einzeln. Vereinzelt. Spezialisiert. So etwas mag das schiere Gegenteil von Romantik verkörpern.

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Amy Winehouse, Jimi Hendrix, Jim Morrison and other rock stars: all died at the age of 27. They blossomed briefly and intensely. Then they sank into their own myth and into the grave. The rock scene spun romantic projections about them. Also because it was once in keeping with the spirit of the times. Romanticizing the world: briefly and intensely towards ecstasy, with shimmering verses and an impulse of the artistic coming from deep within. Full of visions and unattainable horizons. Exploring the reality behind reality. Was that it? Or was it a game of set pieces, calculating and cold? Today's spirit of the times would suggest such a thing with a grin. Overcoming finite existence: did drugs play a role in that? It is not only the techno scene that provides clear answers. Entering a special hypnosis in the intoxication of machines. That exerted its power over us long before AI. All of this, on the other hand, could hardly be blamed on romanticism. Its romanticization is usually something it wants to achieve from within itself and not with miraculous aids. Or is it? Did English Romanticism also get a bit of a slump in pleasure? Shelley, Byron and similar spirits, whose late successors cavorted in the Gothic scene? Romanticisms of this kind have long since disappeared from pop music and given way to ice-cold marketing strategies, or so it seems. From this perspective, the zeitgeist world is coded, has its function in all its elements, which must be recognized from a scientific perspective. Positivistic. Individual. Isolated. Specialized. Something like that may embody the complete opposite of Romanticism. 

Vorbilder

Es gab in der Rockmusik früher oft fein ziselierte Klänge/Klangebilde und lyrische Zeilen, die man auch für „romantisch“ hätte halten können. Der romantische Künstler scheint dabei in vielerlei Hinsicht das „Role Model“ dafür abgegeben zu haben. Betonung der Individualität, Befreiung der Bedürfnisse, Kritik an der Konsumgesellschaft und dem, was als „normal“ verkauft wird, Spießertum, Kleingeisterei u.ä. Bei genauerem Hinsehen war dieser romantische „Effekt“ jedoch allzu oft beabsichtigt und sollte auf der Ebene dahinter oft genug dem Zweck der Umsatzsteigerung dienen. Dass die Künstler oft selbst empfindsame Geister waren, wurde da gerne in den Dienst genommen, weil die „Fans“ ja an solche Haltungen und Gegebenheiten von Künstlern glaubten. Sie wurden oft genug (und manchmal auch zu Recht) als hochsensible Geister angesehen, die einem brutalen Materialismus ausgeliefert waren. Blöd nur, dass es nicht wenige „Künstler“ auf diesem Terrain gab, die sich in den von der Gesellschaft propagierten Reichtum, in Villen, Schlösser und Nobelkarossen flüchteten. Unbemerkt waren sie auf diese Weise in die Fänge der brutal materialistischen Kräfte der Gesellschaft geraten. Im Nachhinein wurde dies mit allerlei Rechtfertigungsstrategien versehen: kreative Geister von solchem Format sei so etwas nachgesehen und es ginge ja überhaupt um das Ringen um Anerkennung, um sozialen Status, der dadurch zu erreichen war. Es ging um Mimikry, um subversives Verhalten, um ein Einschleichen in soziale Rollen, - letztlich um so etwas wie den „Marsch durch die Institutionen“. Die dabei auftretende Deformation des Bewusstseins, die Korruption durch das „große Geld“, all dies wurde schulterzuckend zur Kenntnis genommen.  

Klarheit

Was ich entdecke, weil ich eine Art „Investitur“ mache: Ich habe etwas aufbewahrt, dem ich über die Jahre hinweg so etwas wie eine Präferenz zumaß, an dem ich anderes maß, bewusst und unbewusst. Über lange Jahre hinweg war Sandy Denny trotzdem nicht an meine Ohren getreten. Sie war kein musikalisches „Fast Food“, das zu hören ich oft gezwungen war. Aber jetzt, die Sandy Denny-Kassette „A boxful of Treasure“ („eine Kiste mit Kostbarkeiten“). Ich erinnerte mich, dass mir damals Wege gezeigt wurden, Arten, wie man etwas ausdrücken kann. Ben, ihre Lieder, teilweise unveröffentlicht und Live-Mitschnitte. Ein unprätentiöser fast bäuerischer Gesang eines Engels der Klarheit. Ich habe mir in Erinnerung gebracht, was mich immer schon bewegte: Dieses uneitle Singen, niemals auf massenhaftem Gefallen abgestimmt, nicht auf „Verkaufen“ abgerichtet, sondern eine angestrebte Übereinstimmung mit sich selbst. Da sind diese langsam sich entwickelnden Balladen, die dem in Deutschland herrschenden Zeitgeist fremd blieben. Sie machte sowas auch als Sängerin für Fairport Convention und deren zahlreiche Splittergruppen. Sie sang einmal für Led Zeppelin. Die sich ziehenden Verläufe, die einem das Zuhören abnötigen, bevor sie einem etwas geben. Auf dass man mit Perlen beschenkt werde. Dieses unbeirrte „in eine Richtung gehen“. Dieses „identisch mit sich selbst“ sein wollen. Sie hat in ihrem Leben viel Pech gehabt. Soll schließlich eine Treppe herabgestürzt und gestorben sein. Sie schien manchmal ins Unglück verliebt zu sein, melancholisch sinnierend, über sich hinaus schauend, eine große Klarheit ausstrahlend. Sie schwelgte, so scheint es mir wieder, nie in Übertreibungen, sondern blieb bescheiden direkt. Sie pflegte ihre spezielle Art der Konzentration und Ernsthaftigkeit. Ihre Lieder waren menschlich individuelle Äußerungen, nicht Ergebnis eines kollektiven Zielens auf Zuspruch. Ihre Version der Leidenschaft, ihr Brennen waren ihr Ausdruck. Sie spielte mit dem Bekannten und mit dem Unbekannten. Mit „Ecoute, ecoute“ sang sie gar einen kompletten Song auf Französisch. Sandy Denny hat an Wände gespielt und die Abpraller kamen auf uns. Wir sollten damit natürlich umgehen. Da war kein Protzen, kein „Sich verkaufen“. Vielmehr so etwas wie ein „Hier steh ich und kann nicht anders“. Introversion statt Extroversion. Ein „In sich gekehrt sein“ und weniger ein „aussich heraus gehen“. Nicht dieses zeitweise etwas verlogene Zusammenrücken am Lagerfeuer, sondern die musikalisch umkreiste Einsamkeit, das Leid. Und ihre Stimme. Das ein verborgenes Juwel aus dem Schatten heraus leuchten ließ. Da ist noch kein „einer möglichst großen Masse von Leuten gefallen“, da sind noch nicht die Meuten an Managern, die alle was ab haben wollen, die Berater, Experten und Parsiten. Stattdessen ist uns eine große Klarheit geschenkt.