Heilpflanze

Was ich einmal über ein mir liebes Album schrieb und dabei "Tödliche Heilpflanze" titelte:

Belladonna“, die CD von Daniel Lanois

Mit welcher klangtechnischer Konsequenz und welch glasklarem Vorstellungsvermögen er Alben von Bob Dylan, Emmylou Harris, U2 oder Peter Gabriel als Produzent lenkte, war schon bewundernswert. Dass der Frankokanadier Daniel Lanois auch viel mit Brian Eno zusammen arbeitete, ist seiner eigenen Instrumental-CD „Belladonna“ auf sublime Weise anzuhören. Der Meister der inszenierten Atmosphären schwebt mit seinen Saiteninstrumenten diesmal in wunderbar entspannt ausgemalten Ambient-Wolken, zuweilen so abgehoben wie Enos frühe Werke, manchmal auch gebrochen oder sehr direkt wie etwa im Stück „Panorama“, das eine kristalline Fantasie der Steel Gitarre ist. Unterstützt von Könnern wie etwa dem Jazzpianisten Brad Mehldau, dem Dylan-Schlagzeuger Brian Blades und dem unglaublich flexiblen Funk-Bassisten Daryl Johnson scheint Lanois die Ruhe des reinen Klangs zu beschwören, eine naive Poesie des leeren Raumes, die ganz sanft den Kitsch streifen darf. So tönt’s auf „Bella Donna“ auch mal trivial-mexikanisch, Mariachi-Trompeten skizzieren wie in „Agave“ einen mysteriösen Ort, der aber bald wieder in surrealen Gespinsten versinkt. „Bella Donna“ ist eine psychedelische Nachtreise, die in „Todes Santos“ schließlich wie eine breit angelegte und instrumental zu einem einzigen Klang zusammengeführte Drohung endet. Bella Donna ist eine Heilpflanze. Wer zu viel davon nimmt, stirbt.

Daniel Lanois: Belladonna, Anti 6767-2.

Suche nach dem Etwas

Nun ja, es entwickelte sich sogar ein Wir-Gefühl zwischen uns: Wir fühlten uns wie ein kreativer Stoßtrupp, wir suchten ganze Nachmittage lang nach der einen, der großartigen Melodie, nach dem Einfall, der uns hinweg tragen würde in all seiner.... . Aber wir fanden nur fremd klingende Breaks, verhuschte Passagen, rhythmische Katastrophen, tonale Andeutungen, die völlig unbrauchbar für die richtige Rockmusik der Tatmenschen waren. Wir streiften zusammen durch musikalische Landschaften, die zwar wildromantisch waren, aber einfach nicht auf eine Weise zu kultivieren waren, dass sie in einem Jugendhaus irgend jemanden von einem dieser alten, verstunkenen und verfurzten Sofas gerissen hätten. Das ging nicht ab. Das ging schon gar niemanden in die Beine. Das war einfach nur unverständlich und verschroben. Im Grunde die reine klangliche Kloake. Aber wir waren infiziert davon, wir waren - glücklich - damit. Wir hatten etwas aus dem Nichts geschaffen, über das wir eine Weile staunten und das dann wieder zurück fiel in das Nichts. Wir waren auf einer Mission, deren Sinn, deren Reichtum sich erst noch später enthüllen sollte, - vielleicht sehr viel später. Erst musste von uns aber noch die dafür nötige Erforschung gemacht werden…

Innovatives

Ach, wie öde fand ich diesen Anspruch im Zusammenhang mit Pop- und Rockmusik!? „Innovativ“ solle es bitteschön sein. Nichts mehr und nichts weniger. Ich selbst habe das Wort im Zusammenhang mit dieser Musik selten, wenn nicht sogar gar nicht benutzt. Ich dachte immer, dass „Innovativ“ auch eine Frage des Blickwinkels und des Standpunkts sei. Auf der Seite des Zuhörers eine Frage des „Sich-Einlassens“. Auf der Seite des Musikers die Bereitschaft, mit dem Unerwarteten, mit dem Überraschenden umzugehen. „Innovativ“ im eigentlichen Sinne, also möglichst unumstritten, waren in meinen Augen Figuren wie Jimi Hendrix und Jaco Pastorius, - vielleicht noch zwei oder drei andere. Da war John McLaughlin. Oder Santana. Oder Jeff Beck. Waren die nicht „innovativ“? Oder hängt dieses „Innovativ“ auch mit der Fähigkeit zusammen, eine eigene musikalische Welt, eigene Ausdrucksformen und Möglichkeiten zu schaffen. Einen eigenen Anspruch zu erschaffen? Eine eigene tönende Welt? War etwa oder ist Eric Clapton „innovativ“ oder hat er, wie manche Oberschlauen behaupten, nur auf dem Erbe der großen Bluesmusiker aufgebaut, hat er "geklaut" und dann daraus versucht, etwas Eigenes Unaufgeregtes zu schaffen? Wer sich in Claptons Musik jemals hat fallen lassen, wird diese Frage leicht beantworten können. Wie leicht ist es eigentlich, ständige Wiederholung und mangelnde Möglichkeiten zu unterstellen? Hat und hatte Clapton keine eigenen Möglichkeiten? Der längst verstorbene Peter Green mit seinen den Wolken entlang gleitenden traumwandlerischen Gitarrenlicks? Waren wir nicht dankbar und brachte uns das nicht etwas, dass er es versucht hat? Dass er geflogen ist.... wie ein Albatros? Alles geklaut? Völlig un-innovativ? Wer dann  später die Lieblingsmusik jener "innovativen" Kritiker hört, mag so manches mal krass erstaunt sein: Ob es das ist, was "innovativ" sei? Das hier! Unzählige andere Musiker und Beispiele ließen sich nennen. Viele haben das Rad nicht neu erfunden und waren mit den von ihnen an sich selbst entwickelten Möglichkeiten trotzdem „innovativ“, weil sie sich dessen, was sie vorgefunden haben, anverwandelt hatten. Will man überhaupt immer „innovative“ Musik hören? Soll jemand ständig erfinderisch sein? Muss man, um so etwas aufzunehmen, nicht auch in Stimmung dafür sein? Offen. Ist nicht etwa auch eine Leistung, jemanden in einer solchen Stimmung ansprechen zu können, ihn einzuhüllen in die eigene Vision von Sound? 

Mini-Morrison

Habe ich damals ironisch bedacht. Weil er so ein Bild für die Mechanismen des Showgeschäfts war. Jetzt höre ich ihn wieder öfter und nehme ihn deutlich ernster.

Die verzweifelte Stimme, und ihr Brüllen das Hineingrunzen in Gitarrengewitter,

 

METAL-RAMBO UND DÄMONISCHER MINI-
MORRISON (1992)

 

Danzig auf dem Killesberg

An seinem böser Bube-Image hat er hart gearbeitet und da lässt er auch nicht
dran rütteln. Dass sein Gesang an Jim Morrison erinnert, klingt schon fast wie
ein Gemeinplatz, der allerdings Glenn Danzigs Ruf genauso wenig geschadet hat,
wie der fortwährend zur Schau gestellte Muskelmann-Body. Der Sylvester Stallone
des Rockgeschäfts traf nach einer bewegten Vergangenheit in New York auf Under-
ground-Starproduzent Rick Rubin, der sich auf Heavy-Metal-Combos wie Slayer
oder Black Crowes spezialisiert hat, und sich so ganz nebenbei mit seiner Plattenfirma Def American um die kommerzielle Verwertung seiner Hart-Ware kümmert. Der zweite Anlauf der beiden brachte den Erfolg: "Luzifuge" hieß 1990 das düstere Durchbruchswerk, das Glenn Danzig heute gar nicht mehr gefällt.
Deshalb nahm er bei der neuen Platte "How the Gods kill" auch als Produzent
alle Fäden selbst in die Hand. Die drei Musiker seiner Band haben sowieso nichts
zu melden und spielen, was ihnen ihr Chef vorgibt.

Der kleine Diktator aber scheint besonders die Teenager zu faszinieren: beim Konzert von Danzig in der Messehalle B des Killesberg bestimmte diese Altersgruppe eindeutig die Szenerie. Die rund 3000 in der langezogenen Schlauchhalle sahen sich zunächst bedrohlich großen Lautsprecherbatterien gegenüber, von denen es alsbald kräftig was auf die Ohren gab. Dumpf grollte die Ouvertüre, roh sägte die Gitarre los, tief wummerte der Bass. Chuck Biscuits aber, hoch oben unter den Scheinwerfern auf seinem horngeschmückten Schlagzeugthron, schien von Anfang an trommelnd die Strafe für sein Tun abzubauen: der arme Wicht schwitzte wie in einem Microwellenherd und schüttete auch während seines theatralischen Spiels ununterbrochen und hastig Flüssigkeit in sich hinein.

 

Weiter unten gab der düstere Sangesheld Danzig den Rambo: die Faust zeigte
gen Decke und wild zuckte das Haupt, ein brüllender Ballermann par excellence.
Nach einer halben Stunde schien er sich die Hörner doch etwas abgestoßen zu
haben. Die unheilsschwangere Ballade "How the Gods kill" offenbarte Danzigs
überragende Qualitäten als dämonischer Mini-Morrison und bescherte den Ohren
willkommene Entlastung, bevor es in weitere Power-Runden ging. Nach genau
neunzig Minuten hatte der Spuk dann ein Ende: Glenn Danzig hat auch in Stuttgart
ein Profil herausgehämmert, mit dem er sich von der Masse seiner Metal-Konkurrenz absetzt. Und das ist im Showgeschäft die halbe Miete.

Musik produzieren?

Bei meinen eigenen Musik-Produktionen habe ich alles selbst gespielt, entworfen, umgesetzt - früher sagte man „komponiert“ dazu. Dank des Stands der Technik ist und war das möglich. Ich entwarf dadurch eine Art akustisches Abbild meines Ego „in Motion“. Dazu verwendete ich bewusst und unbewusst auch die Mittel, die mir in 50 Jahren zugewachsen waren. Zb habe ich die gtr vor allem für Sounds eingesetzt, weniger für Soli. Mein Ego, mein Autismus - in Wirklichkeit ist es auch ein Abbild dessen, was mich umgeben und beeinflusst hat, welche Energien und Situationen auf mich eingewirkt haben. Subjektiv? Ja klar! Am Ende hat man nur sich selbst. Man ist auf sich selbst zurück geworfen und es ist eine Aufgabe, dadurch nicht allzu selbstbezüglich zu werden. Ich erinnere mich an viele Situationen, wie jemand eitel vorzeigt, wie gut er (natürlich solo!) Gitarre spielen könne. Dabei reproduzierte er die Phrasen und Wendungen, die jeder kennt. Ich versuchte eines Tages das zu nehmen, was ich gelernt und mir angeeignet hatte, was ich konnte, was ich mir vorstellte. Ich versuchte, etwas Persönliches draus zu machen.

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 In my music productions, I played, designed and implemented everything myself - in the past they used to say “composed”. Thanks to the current state of technology, this is possible. In doing so, I created a kind of acoustic image of my ego “in motion”. To do this, I consciously and unconsciously used the resources that I had acquired over 50 years. For example, I used the gtr primarily for sounds, less for solos. My ego, my autism - in reality it is also a reflection of what surrounded and influenced me, what energies and situations affected me. Subjective? Yes, of course! In the end you only have yourself. You are thrown back on yourself and it is a task not to become too self-referential. I remember many situations where someone vainly shows off how well they can play the guitar (solo, of course!). He reproduced the phrases and expressions that everyone knows. I tried one day to take what I had learned and acquired, what I could do, what I imagined. I tried to make it something personal.