Mir fällt in letzter Zeit immer mehr auf, dass es zunehmend viele „Tribute to...-Shows“ gibt. Natürlich Elvis, das gab es neben den Pink Floyd-Tributes schon immer. Jetzt aber auch ein Tina Turner-Musical, AC/DC, Whitney Houston oder Abba: Ob da nicht auch die Sehnsucht nach den großen Stars, den gerationenübergreifend Begeisternden Figuren ganz vorne, die Suche nach dem großen Glamour un dem Außergewöhnlichen im Gewöhnlichen Dahinter steckt? Leute, die die Architektur der modernen Rockmusik mit geprägt haben, die den Gang der Dinge beeinflusst und die Massen bewegt haben? Schon die in diesem Zusammenhang eingepflegten Cover-Songs nahmen etwas davon mit, mit Interpreten, die wegen ihrer chamäleonhaften Kopierfähigkeit gelobt wurden, die in eine vorgegebene und jedem bekannte Rolle hinein schlüpfen konnten, die ihrer Huldigung „professionellen“ Ausdruck verleihen und unserem Bedürfnis, an einer Figur empor schauen zu wollen, etwas Spezielles geben können. Es gilt, das „Legendäre“ und das „Erfolgreiche“ zu beweihräuchern, das Tragische noch einmal zu bedauern, eine Wirklichkeit zusammen zu schauen. Jenseits des Atlantiks wird man dann gerne mal in die „Hall of Fame“ aufgenommen, was dann nicht nur von Feuilleton-Strategen beklatscht wird.
Juhu, es gibt ein neues Album von Oasis! Und das mehr als 13 Jahre nach der Trennung der Band um die beiden Gallagher-Brüder. Gut ist es geworden! Toll! Ah! Ih! Was? Das Album ist mit KI entstanden? Im Stil von Oasis? Nun, das war schon lange zu erwarten. Immerhin ist bekannt geworden, dass dieses Album mit KI gestrickt wurde. Egal, dass sich die beiden garstigen Brüder überworfen haben. Die KI macht’s möglich: 8 neue Songs. Die beiden streitbaren Masterminds könnten sich zusammen gerissen haben. Oder? Das Album heißt „The Lost Tapes“ und neben der KI soll es eine britische Band zusammengestrickt haben. Identität verschwimmt. Authentizität auch. Genie ebenfalls. Schöpfergeist. Was vorher zu sehen war. Wenn schon Hologramme ganze ausverkaufte Shows bestreiten, nun ja, die Entwicklung wird weiter gehen und nicht Halt machen. Eine Software wird Songs stricken – und das in einer Qualität, die deutlich über den jetzigen Anfangsversuchen liegt. Dann wird sich die Szene der großen Namen und Marken auflösen. Kreativität? Künstlerisches? Iwo!
Erster Eindruck: das ist schon ziemlich kurz und knapp bestückt mit etwas über 30 Minuten! Weil: Man könnte sich ja einnisten in dieser neuen CD „Vagabond“ von Dominic Miller, man könnte es länger in dieser Klangwelt aushalten, man könnte sich so wohlfühlen, dass es einem vielleicht sogar weiterhelfen könnte. Dieses Album umfängt einen wie eine Schutzhülle. Wie er da wieder Klangzusammenhänge entwirft und sie sachte anführt! Jetzt wieder mal in einem Bandzusammenhang mit Jacob Karlzon, piano, Ziv Rvitz, drums und Nicolas Fiszman am Bass. Man spielt sich Zeichen der Verständigung zu. Man geht aufeinander ein. Sachte. Behutsam. Ob das ein Modell dafür sein könnte, wie es bei uns zugeht? Zugehen könnte? Umgang? Mal zuhören. Versuchen, die Zeichen zu verstehen. Versuchen, sich auf jemanden einzustellen. Austausch anstreben. Nie Konfrontation.
Er spielt die Nylonsaitengitarre. Hört man in solchen Zusammenhängen relativ selten. Hat vielleicht etwas mit seinem Geburtsland Argentinien zu tun. Vielleicht. Er hat ja bei tausend Studioproduktionen mitgewirkt, von Phil Collins bis Pavarotti. Die vergangenen tausend Jahre hat er mit Sting gespielt, live und im Studio. Dabei hat er auch schon mal seinen Sohn als zweiten Gitarristen mitgeschleppt.
Ich spüre hier schon mal, welch behutsames Tasten hier ist, wie sehr es hier ein Streicheln von Möglichkeiten gibt. Und dann etwas völlig Neues in diesem Zusammenhang: Schon im zweiten Stück „Cruel but fair“ fließt ein Thema, ein Motiv in unsere Gehörgänge, schmeichelt sich geschmeidig (man meint, vieles sei da spontan, kreativ aus der Luft gegriffen) so ein, dass dies Thema einen in großer Subtilität einen ganzen Tag lang begleiten kann. Ohrwurm? Ja, aber ganz vorsichtig abwägend und geradezu zärtlich. Nie aufdringlich. Das sechste Stück „Altea“ scheint auf diesem Album ganz ähnlich zu funktionieren.
Dominic Miller, Vagabond, ECM Records 2704
Ich habe mich damals mit der Musik sehr angestrengt, habe versucht, meine ganzen Erfahrungen in die Schreibe einfließen zu lassen und sogar meinen Lebenssinn daraus zu beziehen, während ich meine anderen Tätigkeit bei der Zeitung mehr als Gelderwerb betrachtete. Eine miese Erfahrung für mich war dann, dass man eiskalt auf meine Dienste verzichtete und mir einen Arschtritt gab. Solidarität unter Freien gibt es sowieso nicht. Jeder sucht ganz egoistisch seinen Vorteil. Frei. Selbständig. Stark. So die "offizielle" Einschätzung, die sich den "modernen" Lebensverhältnissen anhaltend verweigert. Jetzt fühle ich mich in einer anderen Lebensphase: mein Horizont hat sich geweitet von Pop weg und hin auf Kultur/Gesellschaft und die Zusammenhänge mit der Hedonismus-Industrie. Ich versuche jetzt mehr, die Dinge im Zusammenhang zu deuten, nehme alte Lebenslinien und Denkrichtungen wieder auf, höre alte Alben, - ohne freilich in Nostalgie zu verfallen. Ich will gewisse Dinge aus einer längerfristigen Perspektive sehen. Ich entdecke aber auf der anderen Seite, wie ich langsam aus der aktiven Gesellschaft heraus rücke und nehme auch meine eigenen Fehler intensiver wahr. Beispiel: Nahm Vieles in meinem Leben zu ernst, ließ es an mich heran, wo vielleicht mehr Leichtigkeit gefragt war. Ich versaute dadurch meine Lebensqualität. Bin jetzt in ein Universum der Stille eingebogen, entdecke, dass ich alt und älter werde, geworden bin, ohne es so richtig zu merken (wieder mal). Man ist jetzt nicht mehr dabei im aktiven Leben. Alles, was zählt, ist Produktivität. Geld. Da kann ich nicht (mehr) mithalten, will es auch nicht. Bin längst auf die Verliererstraße eingebogen und habe es nicht mal gemerkt.
Habe damals Bücher gelesen. Habe mich mit Poptheorien beschäftigt. Habe mich gewundert, wie gewisse Popschreiber Karriere machten, scheinbar leicht an mir vorbei zogen und plötzlich Professoren waren, die ihre Weisheiten international verbreiten konnten. Das auf Karriere und Geld abzielende Spiel hatte ich zu wenig drauf (so denke ich heute) Habe viel gehört, aber keine einschlägigen Beziehungen geknüpft. Habe mich einzufühlen versucht und von dort aus „Kritiken“ zu schreiben. Dabei versuchte ich stets, mir eine eigene Meinung zu bilden und nicht dem nach zu hecheln, was gerade hip war. Habe Ironie und Humor walten lassen, versuchte, meinen eigenen Standpunkt nicht gar so wichtig zu nehmen. Dass dies auf vollkommene Ignoranz stieß, hat mich gestört, irritiert und fertig gemacht. Ist die Masse der Leute tatsächlich so blöde und verbohrt? Es wurde selten von der „Leserschaft“ bemerkt, auch von den Redakteuren nicht, die sich eigentlich mit dem Wort befassen hätten müssen. Stattdessen fuhren sie (bis auf das „Führungspersonal“) bei jedem ihrer Streiks in den Urlaub, was ich als Freier Mitarbeiter befremdlich fand. Außerdem schienen sie ohnehin dauernd in Urlaub (tariflich gesicherte "Ausgleichstage") zu sein, wenn ich schuften musste. Urlaub? Es war nie geregelt, was hätte eintreten können, wäre ich krank geworden. Alles war dadurch erledigt, dass man sich bei jedem Streik mieser fühlte, weil man zwangsläufig als Streikbrecher auftreten musste.
Ich ging davon aus, dass wir alle davon wüssten, dass sich gewisse Gruppen zu sehr mit den Hauptfiguren des Pop identifizierten (Fans). Ich gestattete mir zuweilen, mich mehr oder weniger versteckt über diese Mechanismen lustig zu machen. Von redaktionellen Kollegen wurde dies kritisiert: Ich sei zu distanziert. Es war für mich relativ schwer zu begreifen, dass sich schon damals Wahrnehmungsblasen heraus gebildet hatten, dass man Fragen nicht als produktiv empfand. Entsprechend reagierten diese Fan-Leute auch oft persönlich betroffen auf Kritiken von mir, was wiederum ich schlecht verstehen konnte. Es gab doch Phänomene, die so selbstverständlich nicht waren, wie man sie uns zu verkaufen versuchte, - so dachte ich. Darauf sollte man doch aufmerksam machen, dachte ich. Überhaupt: dies riesige Business, was die „Akteure“ (Stars) umrankte, war für mich immer fragwürdig und suspekt. Ich war nicht bereit, dies als gegeben hinzunehmen. Gewisse Interviewsituationen waren für mich dabei sehr instruktiv. Man wurde dann über zahlreiche Mittelsfrauen und -Männer in ein Hotelzimmer (meist eine Suite) gebeten, in dem der Star in typischer Situation (man sollte ja Konzertbesucher „herbei schreiben“, war Mittel zum Zweck) Audienz gewährte. Unterwürfigkeit war in dieser Situation geboten. Ehrfurcht vor dem Star. Ich empfand das wohl zu oft als Peinlichkeit.
Seltsam abgehoben und geradezu autistisch in sich hinein dudelnd kamen sie mir vor, diese Helden der Progrock-Bands, deren Konzerte ich besuchte. Sie schienen mir als wohlgeratene und langhaarige Söhne ihrer Elternhäuser vorzuführen, wie gut sie nach einer langen Ausbildung ihr Instrument beherrschten und wie sie für gut erzogene Oberschüler spielen konnten, - sie hatten darüber hinaus aber wenig mitzuteilen. Es schien Vieles eine Feier ihres Egos zu sein, in die „die Fans“ mit einstimmten, indem sie diese „Virtuosen“ mit allen Mitteln (vor allem Merchandising) anbeteten. Diese zeitgenössischen Prog-Rock-Helden waren ja in Wirklichkeit die Erben jener ersten Generation von Progressiv Rockern a la Yes, E L P, King Crimson, Jethro Tull oder Genesis, die mit ihren ausufernden und manchmal an mysteriösen Themen orientierten „Werken“ und den Rahmen üblicher Popmusik sprengenden Stücken den Boden für solche zeitgenössischen Kunststücklereien bereitet hatten. Es kamen ja damals eine Flut von „Konzeptalben“ über einen, analog zu den früheren Opern. Auch ich sah damals noch genau darin einen Sinn über die Zelebrierung eines Egos hinaus in der Feier und Synthese von bildungsbürgerlichen Inhalten und Rock. Was mich störte, war der Kult, die sich nun entwickelnde und die unbedingte Anhängerschaft diesen Bands gegenüber, die scheinbar alles besser konnten. Schnell schien sich mir diese Anhängerschaft zu einer eigenen Gemeinde zu isolieren und sich neu definieren zu wollen zu einer Art Kadergemeinschaft, die „die wahren Ziele“ eines fortgeschrittenen Zuhörens verfolgte. Ausdruck, soziale Relevanz oder Nachvollziehbarkeit schien dabei keine Rolle mehr zu spielen. Was einen anzog, war die flotte Hinwegsetzung über vorgegebene Normen, zb. eine schamlose Überziehung jeglichen zeitlichen Rahmens.
Ich glaube, dass Sprache mittlerweile durch einen zweifelhaften Gebrauch (Fake News, PR-Sprech, Politik) und durch die sich abzeichnenden Entwicklungen der AI völlig diskreditiert ist, dass es nichts als eine Konvention ist, wenn Sprache in braven Versen zum Einsatz kommt. Dagegen setze ich in meiner Musik oft Wortfetzen und menschliche Äußerungen (Sport, Kopulation, Rülpsen, Furzen usw.), die sonst kaum zu hören sind…., fühle auch intensive Verwandtschaften zu Dada…...