Augenblicke

Augenblicke, wenn du außer dir und doch so ganz bei dir bist, du suchst sie bisweilen. Aber sie kommen und gehen, wann sie wollen. Du ahnst, dass du eines Tages in eine andere Welt eingehen wirst, du schaust in die Wolken und wirst plötzlich ein Teil von ihnen. Es geht hinaus in den Weltraum, wo du ganz alleine bist, alles eine Frage des Bezugspunktes, entrückt in andere Realität. Ein Lächeln, du versuchst es festzuhalten, zu sammeln, wesentlich, "eigentlich" sein, magische Momente, was heißt das?: Du bist du? Weniger als ein Staubkorn im Universum. Du wartest auf etwas Wunderbares, eine "Grenzüberschreitung", ein "Abenteuer"?, etwas Anderes, wo findet man das?: die Suche, die Ferne, das Uneingelöste, den Augenblick genießen, das Unendliche, das Nichtmitteilbare, dein Persönliches, deine Welt erweitern in Richtung auf deine Phantasie, aber nicht die trivialen Medienphantasien von der Stange sondern deine ureigenen, deine Reise, wohin bist du noch unterwegs? Dieses "in Bewegung sein" ist dir wertvoll, du willst dich noch eines Tages „verwirklichen“, mit dir selber identisch werden, dieser Drang ist dir angeboren: du hast davon geträumt, solange du denken kannst, lange hast du gedacht, das andere Leute diesen Drang, dieses persönliche Versprechen genauso mit sich herumtragen. Aber da ist nur Dumpfheit, die "normale" Dumpfheit, die allmächtige Alltäglichkeit, der Strom der Selbstverständlichkeiten, der Konventionen. Das macht dich fremd, du fällst dauernd heraus aus deren Small-talk-Welt.

Da ist der unbegreifliche "Andere", -  "die Hölle, das sind die Anderen" sagte sinngemäß Jean-Paul Sartre, der beispielhafte Erfolgsgeistesmensch. So etwas kann man objektivieren, von sich selbst absehen überhaupt, ist nicht schon die Erkenntnisrichtung völlig subjektiv?, die kulturellen Wertungen bringen uns um unsere persönliche Unmittelbarkeit, (es gilt das „nicht sentimental sein“, Wichtiges aussagen, originell sein, nicht banal, der Intellektuelle ist darauf programmiert, er kennt das Bücherbewusstsein, den sprachlichen Diskurs...usw......). Du spürst: Das Leben ist anders, ästhetische Probleme sind tatsächlich sekundär, das was du bist, das Tatsächliche ist etwas, das sich damit beist.

Mittels eines Buches hast du sie schon gehabt, diese Augenblicke. Der Schriftsteller schien deine Welt zu teilen, von deinem Persönlichen zu wissen: endlich jemand, der auch davon weiß. Aber dann liest du irgendein Interview von ihm, er sagt furchtbar gescheite und dumme Sachen, aber aus dem Ganzen ist überhaupt nichts von dem zu entnehmen was du bei ihm festzustellen geglaubt hast. Der ist dir fremd. Der lebt also doch in einer ganz anderen Welt. Die Eitelkeiten, die Pfauenräder verstellen immer wieder den Blick auf das, was dich interessiert. Im Resultat bleibt ein Graben zwischen uns. Ja, dieser alte Traum, sich mit jemandem perfekt zu verstehen, eine Art absolute Gemeinsamkeit herzustellen. Auch eine der Lockungen, die du nie wirst endgültig abhaken können. So oft schon hereingefallen weißt du eigentlich genau um deren prinzipielle Unerfüllbarkeit. Du bist daneben, es gelten andere Spielregeln, du lebst tatsächlich in deiner Nebenwelt und versuchst, diese Augenblicke zu sammeln. Wieso eigentlich das Bedürfnis, das alles Mitzuteilen. Eitelkeiten? Irgendeine Wichtigkeit vermutend, der eigenen Person, oder der Mitteilung? In einer "Informationsgesellschaft", in der kaum noch jemand all diese Reize ordnen, geschweigedenn verarbeiten kann? Wo sollte das Interesse sein? Das Interesse, das Aktionen auslösend kommerziell verwertbar ist?. Du bist umsonst. Wahrlich umsonst. 

(geschrieben wohl in den frühen achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts)