Nach dem Mond greifen

Wieso bleibt da bei mir nichts hängen? Ich freue mich, wenn ich den ersten Titel von Mond.line und ihrer CD „Die Mehrzahl von Himmel“ höre: Wiedererkennungswert. Gute Stimme, die dosieren kann. Das geht durch. Doch dann verflüchtigt sich dieser Effekt nach und nach. Das ist ganz anders als beim Vorgängerprojekt „Olga“, ebenfalls mit Petra Straue als Sängerin, Phantastin und Songschreiberin. Damals zog es einen unwiderstehlich ein in eine Art Traumwelt. Jetzt braucht es einigermaßen viel Aufmerksamkeit, um dabei zu bleiben.Die Akustikgitarre von Straues Partner Zane Charron ist schön, versiert und hübsch ausgearbeitet, aber es hat solche Akustikgitarrenversuche mit oder ohne Stimme schon viele gegeben. Brauchen wir das? Nachdenkliche Texte, die so manchen Impuls geben könnten, die so manchen Anfang setzen könnten. „Schöne Worte“: „Schöne Worte haben kein Gewicht, steigen auf, fliegen weg, verirren sich, zurück bleibt nur ein Nichts“. Wie wahr, so mag da der eine oder andere denken. Und es mag ihm einfallen, dass dies auch gesellschaftliche Gründe hat, dass die Entwertung der Worte ganze Agenturen beschäftigen kann und dass Worte für eine möglichst zielgerichtete Durchsetzung von Interessen benutzt werden, ja, dass sie gelegentlich regelrecht vergewaltigt werden, dass sie Platzhalter der Lüge geworden sind. Dies wäre ein Aspekt, der „von außen“ kommt, von dem Getriebe dessen, was wir "Gesellschaft" nennen. Dem wir alle ausgeliefert sind. Doch der Text verharrt im Privaten, so wie das in Zeiten des Neoliberalen halt angesagt ist. Partnersuche und -finden, ach ja, auch das beschäftigt Agenturen in Scharen und allen Sprachen. Nächster Titel „Das verminderte Herz“: Zwischentöne eines sich Einlassens. Müsste es mehr geben. Aber dann heraus damit aus der Nische! „Die Mehrzahl von Himmel", das Titelstück: Trautes Glück im Heim allein. Nach überwundener Krise. Ob wir das schon einmal gehört haben? Auch die folgenden Stücke klingen dauernd nach verschnörkelt vertontem Tagebuch. Okay, das ist an einem hohen Standard gemessen. Aber wer kennt dieses Duo bis jetzt? Vielleicht sollte es in seinem Genre und genau in dieser Konstellation ein bisschen länger durchhalten. Es gibt durchaus Menschen, die da trotz allem länger zuhören und dabei bleiben. Die eine Stärke erkennen.

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Abgeklärter Alltag

Eine Rockband, die im Großraum Stuttgart lange gewachsen ist. Die keine Superstarkarriere mehr machen will. Möglicherweise. Die in sich ruht. Die ihr Ding macht, auch wenn es heutzutage eher heißt: „Mach dein Geschäft!“. Die neue CD heißt „Deadline“ (Gruß von der Journaille). Die Band Former Bumble B.  hat das nicht durchweg meisterhaft produziert, strahlt aber ein simples „Hier bin ich, ich kann nicht anders“ aus. Elektrische Gitarren dominieren. Eine in sich ruhende Zwangsläufigkeit. Ich hatte diese vierköpfige Band früher gehört, sehr viel früher, in derselben Besetzung. Da war sie noch von einem bunten Strauß der Ambitionen getrieben, nervöser, verstiegener. Mittlerweile ist viel Leben durch diese Bande von Musikern hindurch geflossen. Sie scheinen jetzt einfacher geworden zu sein, „relaxed“, abgeklärt, verständlicher, an manchen Stellen auch eingängiger. Wer es braucht, kann solche Stellen mit Mark Knopflers hocherfolgreichem Schaffen vergleichen. Ohne die Selbstgefälligkeit. „So many years nobody could see me...“  singt's in dem Titel „Fire and Ice“. Da ist dieses vom Geschäft „nicht Herausgehobensein“, dieses „Niedergezwungensein“. Das ist nicht die polierte Wirklichkeit der Pop-Hochglanzprodukte, sondern die Wirklichkeit, die mit dieser Melancholie ohne Selbstmitleid aus dem stinkenden Alltag von Übungsräumen kommt. Man strickt an etwas Gemeinsamem. Ist eine Band. Versucht, etwas zusammenzubringen. Über lange Jahre hinweg. Unabhängig von kommerziellen Triebkräften. Einflüsse von außen sind indirekt verarbeitet. Da ist kaum etwas abgekupfert, weil diese Musiker das längst nicht mehr nötig zu haben scheinen oder es alles wie selbstverständlich machen. Ja, auch das Abkupfern. Alles. Weil sie ja nicht alleine in der Welt leben. Einatmen. Ausatmen. Ein Text von Oscar Wilde zum Auftakt, die elektrische Sitar spielt Mick Scheuerle: „Requiescat“.  Im Sommer abends bei halbgeöffneter Tür' zum Balkon. Ein Titel, der sich da in die Atmosphäre hinein mischen könnte. Oder herbstliches Regnen. Draußen. „Deadline“. Ein Phänomen, das in der Welt ist.  

Die Cd ist erhältlich bei Konzerten der Band. 

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Stimmlich auf der Höhe

Ein Star sein? Im Showgeschäft Karriere machen mit der eigenen Stimme? Die Stuttgarter Pop- und Jazzsängerin Petra Straue erklärt die Wege dazu ganz genau in ihrem Buch „Bilder des Singens – Handbuch für den Popgesang“ das sich als „Lehrprogramm gemäß § 14 JuSchuG“ ausweist. Wie man seine eigene Stimme entdecken und entwickeln kann, ist ein Thema dieses Buches, das mit einer beigelegten DVD und vielen einleuchtenden Übungen aufwartet, die leicht nachzuvollziehen sind. Dabei soll das stilistische Spektrum unter anderem Rock, Pop, Soul, Jazz, R&B und Hiphop umfassen. Worauf es dabei vom Gesang her ankommt, erklärt das Buch zudem. Mit praktischen Übungen den Stimmumfang erweitern? Straue erklärt's anschaulich und weist die Wege. Songs wie „Time after time“ von Cyndi Lauper oder „Home“ von Michael Bublé liefern eine Vorlage. Richtige Körperhaltung, Atemtechnik und bildhafte Vorstellungen können in diesem Falle mit dem richtigen Zeitaufwand (20 Minuten jeden Tag sind besser als zwei Stunden pro Woche) den „richtigen“ Gesang hervorbringen. Dass auch „falscher“ Gesang viele Menschen erreichen kann, haben Leute wie Bob Dylan oder Tom Waits gezeigt und gehört zu den eher grundsätzlichen Überlegungen, die ein solches, auf die Praxis ausgelegtes Buch, nicht klären kann. Beeindruckend ist, wie klar gegliedert und logisch aufgebaut das Buch daherkommt, wie es Schritt für Schritt an das angestrebte Ziel heranführt. Ein wichtiger Clou des Buches ist, dass es jeweils bildhafte Vorstellungen liefert und anregt, mit denen dem Schüler ein bessere Umsetzung gelingen kann. Das Buch eignet sich für Anfänger und Fortgeschrittene im selben Ausmaß.

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Neckar und Seine

Keine Lust heut auf Frühstück daheim, ich zieh mich an, geh aus dem Haus, die alte Weinsteige hinunter, den Schienen der Zahnradbahn entlang, eine Staffel noch, zum Marienplatz...“ so leitet Tommy Mammel seinen Song „Am Marienplatz“ ein. Es steckt viel Lokalkolorit und eine gelassene Betrachtung der eigenen Umgebung in solchen Worten. Denn genau so oder ähnlich hätte es jederzeit in der Realität passieren können, wohnt er doch vom Stuttgarter Marienplatz aus gesehen in Richtung Degerlochs Höhen. „Hier fließt der Neckar in die Seine“ heißen seine „Stuttgartlieder“, die der Pianist, Sänger und Unterhalter jetzt als Album veröffentlicht hat. So etwas könnte man sich leicht als eine Sammlung weinselig behäbiger Heimatlieder vorstellen. Mammel ist zwar keinem Genuss abgeneigt, doch mit dem Genre der allzu gemütlichen Heimatümelei hat er nicht viel zu tun. Seine Songs sind für ihn eine normale Ausdrucksweise und die logische Folge dessen, dass er in dieser Stadt wohnt und somit ständig ein Auge auf sie hat. „Ich fühle mich hier einfach wohl“ sagt der frühere Pianist der Thommie Bayer Band, der zuerst viele Erfolge zusammen mit dieser Formation hatte und dann doch eines Tages beschlossen hat, den eigenen Ton zu suchen. Nachtausgabe hieß ziemlich lange seine Band, mit der er dies versuchte.

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Jazz rund um Mitternacht

Kann man morgens und spätabends auflegen und es stellt sich stets als etwas anderes heraus, als es scheint: „Bei mir bist du schön“ heißt die neue Produktion des Duos Ellen und Bernd Marquart aus der Stuttgarter Region. Wir hören darauf Gefälligkeiten und Zuckerstückchen, denen die beiden freilich mit ihrem musikalischen Können ein eigenes Gepräge geben. Den oft gebrauchten und auch veränderten Titelsong haben sie von einem Standard-Barsong auf ihre Weise zu einem Stück der Gegenwart gemacht. Einen besonderen Kick bekommt dieser Song wie auch die folgenden Stücke durch die linke Hand der Pianistin und Sängerin, die auf Frühformen des Ragtime zurückgreift und so dem Spiel kräftige rhyhthmische Impulse gibt. Bernd Marquart an der Trompete und dem Flügelhorn ergänzt, kommentiert und soliert auf eine Weise, die ein Zuhören lohnend macht und ungeahnte Tiefen zu Tage fördert. Dabei streifen die beiden bei ihren solistischen Ausschmückungen immer wieder moderne Stimmungen und Zusammenhänge. Und so bekommen auch Evergreens wie George Ghershwins „It ain't necessarily so“, Cole Porters „What is this thing called Love“ oder Duke Ellingtons „Caravan“ oder „Take the A-Train“ überraschende Qualitäten, die abseits des Altbekannten neue Qualitäten aufscheinen lassen. Barmusik? Ja. Aber eine unaufdringlich zeitgenössische und elegant jazzbetonte Version davon.

Ellen & Bernd Marquart – Bei mir bist du schön. Zu erhalten über www.trumpet.de    

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