Albenpoesie

Wenn ich mir altem Speckkopf so zusehe, dann muss ich feststellen, dass ich ganz gegen die Gewohnheiten der „heutigen“ Hörer meist ganze Alben durchhöre – oder zumindest mehrere Titel lang einem Künstler auf diesem Wege zuhöre. Ich lasse die Sounds auch oft lange Zeit durch meine Räume strömen. Mir kommt es so vor – sei es Zufall oder nicht, seien es Gewohnheiten oder ein von „oben“ gegebenes Maß – dass das typische Album eine ganz gute Länge hat, um einen aktuellen „Zustand“ zu dokumentieren. Außerdem bricht sich Kreativität in diesem Falle an mehreren Formen, zeigt, in welche „Gewänder“ und Ausdrucksformen sie schlüpfen kann. Den aktuellen Stand der Band oder der KünstlerIn wird so besser deutlich. Auch die jeweile Organisation von Klängen und Spielformen, also das Arrangement, sagt doch etwas über eine künstlerische Bemühung aus. Wobei wir schon beim nächsten Punkt wären: einem „Kennenlernen“ des Künstlers und seiner Eigenarten, die an mehreren Stücken auch deutlich besser möglich ist als an einem einzigen Stück, das mir vielleicht zur eigenen Belustigung dienen kann, mit dem jeweiligen Künstler aber nicht viel zu tun hat. So hat mich zum Beispiel der Künstler Pat Metheny (ein besonders populärer Musiker der „Jazzszene“, - igitt!) immer gefallen und es wuchs zunehmend der Wusch in mir, seine Entwicklung nachzuverfolgen. Es fehlten mir aber auch Passagen aus der Vergangenheit, die ich nach und nach mit dem Anschaffen früherer Alben ausglich. Genauso ging es mir mit Laurie Anderson und anderen, - was eine kritische Auseinandersetzung nicht ausschloß und weit von jenem Fan-Tum, dieser fanatisch faszinierten Anhängerschaft,  entfernt war, das die heutige Szene so sehr prägt. Und, was soll ich sagen? Ich habe in einem nachhaltigen Sinne davon profitiert, glaube, des Künstlers Ausdrucksformen besser verstanden zu haben, seine Phrasierungseigenheiten, seinen Klang, seine Eigenheiten - kurzum: seine musikalische Mitteilungsform.

Einstecktaschenpop

Es ärgerte mich einst zunehmend dieser „Einstecktaschenpop“. Es wurden dabei CD-Tonträger in ach so umweltfreundlichen Papp-Covers auf seltsame Weise versteckt. Man musste sie erst mal entdecken, wie sie da so fantasievoll drin steckten, in den ach so fantasiereichen Faltungen der Pappe oder dieses Spezialmaterials, - das sicher auf sehr umweltschonende Weise verarbeitet worden war? Zumindest sah es oft so aus.  Meist steckte in der leicht teureren „De Luxe“-Version auch noch eine Bonus-DVD drin, die man erst mal sauber von der Audio-CD abgrenzen musste, ansonsten wunderte man sich permanent, dass im Player so gar nichts zum Laufen kam. Ob das Ding dadurch kaputt ging? Schwer zu sagen..... Doch das scheint zunächst vorbei zu sein. Das Artcover, selbst im CD-Format, scheint passé. Dabei war es doch immer so, dass die Art, wie ein Cover aussah, wie es gestaltet worden war, uns durchaus beeinflusste: Es weckte Erwartungen, illustrierte, schaffte einen visuellen Rahmen, es machte uns an, es verlieh dem Projekt und der Einmaligkeit Gesichter und Strukturen. Es hob das Eine von dem Vielen ab. Es war auch etwas zum Anfassen. Doch nun scheint die „nackte“ MP3-Datei alles zu beherrschen: keinerlei Erkennungszeichen mehr, kein visuelles Erlebnis neben dem auditiven, keine gegenseitige Beeinflussung der Wahrnehmungsebenen. Dies erfolgt nur noch über begleitende „Star“-geschichten. Musik ist gesichtslose, anonyme Massenware geworden. Dass es bei solchen Rahmenbedingungen nicht mehr hauptsächlich um die Musik selbst gehen kann, ist klar. Gerne denkt man angesichts dessen an die Zeiten, in denen man seinen Grips anstrengen musste, um überhaupt an die Musik zu kommen, in denen die Verpackung eine Art kreativer Leistung darstellte. In einem seltsam überkommenen Sinne musste man sich Musik (bei minimalem Aufwand....) erst mal „verdienen“, ehe man sie genießen konnte.  Im stillen Kämmerlein auch und nicht nur im "Club". Zuhören und auf sich wirken lassen, etwas erkennen und seine Absichten erraten, erzeugte eine Qualität, die nur auf diese eine Platte zutraf.

George Martin, indeed

Natürlich wäre zu George Martin viel zu schreiben, vieles muss man erwähnen, wenn man über ihn schreibt, ihn, der jetzt gestorben ist. Damals kam er mit vielem Fremdem rüber, das er den genialen Beatles mitgab und unterschob. Nein, er war nicht dieser Produzententyp, der sein Ego überall in den Vordergrund schieben und eine „eindeutige Handschrift“ hinterlassen muss. Er war, so scheint es mir, vielmehr einer, der jeweils das Beste aus seinen „Schützlingen“ herausholte, der ihnen schlichtweg half und einen Rahmen gab, der sein Ohr lieh, der einen Geschmack einbrachte, eine Idee vielleicht. Der insgesamt, alles in allem jedoch trotzdem, einen großartigen Sound hatte, der freilich an keiner Stelle eitel klang. Typisch britisch, das. Natürlich half er den Beatles damals bei ihren großartigen Sachen, sorgte für Ausdruckserweiterungen, versetzte einer eher rauen Rockband feingeistige Impulse, ließ sie über den Tellerrand blicken, brachte sich ein, wurde Übersetzer und Beistand. Das alles war zu hören, bzw. ist heute noch zu hören und lässt einen nachdenken über einen solchen Job. Natürlich hatte er auch Glück, indem er in einem der damals besten Studios auf tolle Musiker traf. Er machte mit ihnen zusammen das Allerbeste daraus. Er bleibt damit im Ohr, er formte unser Empfinden mit, er ging Dimensionen und Möglichkeiten nach. Ja klar, das darf man durchaus alles schreiben und ist keinerlei Verherrlichung. 

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Rückblick auf eine erwachende Begeisterung

"Ich bewunderte ihren ökonomischen Einsatz von Instrumenten und Musikern: Von nichts zu viel oder zu wenig, stets das Treffende suchend, den Einsatz reduzierend und so etwas wie "The Fire below" zelebrierend, den eklektischen Zynismus wie eine Selbstverständlichkeit pflegend. „Cool“ wurden sie dafür genannt. Sie waren damals Vorläufer und Wegbereiter all dieser L.A.-Bands, die dann aber doch nur einen lahmen Steely Dan-Aufguss schafften. Ich brachte nicht mal dieses hin, liebte aber ihr „um die Ecke spielen“, als musikalische Chamäleons verkleidet, meist verhalten indirekte Anspielungen pflegend. Sich distanziert und cool auf nichts Endgültiges einlassen, das machte mich an Steely Dan regelrecht verrückt, verschaffte mir permanente Gänsehaut. Dazu kam diese Perfektion auf allen Ebenen, die sich im Studio fast schon zur Sterilität verstieg und immer nur kurz davor abbremste. Für das Album „Gaucho“ standen sie monatelang jeweils für ein einziges Stück im Studio und schafften damit ein Niveau, das es erlaubt, solche Produktionen auch heute noch zu hören, - mit heutigen Hörgewohnheiten und heutigen Maßstäben. Gab es je in der Popmusik eine Klassik? Ein paar Bands werden diesen Status wohl erreicht haben. Steely Dan gehören zweifellos dazu.

Eine Reihe kleiner obskurer Labels veröffentlichten uralte Demos von ihnen und fanden damit ihren Absatz. Auch tief im Loch ihres Verschwindens waren Steely Dan damals immer noch präsent und ein Maßstab. Ein Mythos. Fagen produzierte auch die LP der Songpoetin Rosie Vela, zudem wirkte er bei der LP „Pirates“ von Ricki Lee Jones in einer winzigen Nebenrolle mit. Sie operierten mit Understatement und „Coolness“, aber nicht wie Zappa in verwegenen Collagen, sondern sie setzten versteckte Anspielungen, bauten Jazzelemente ein und ließen den Charakter von erstklassigen Studio- oder Jazzmusikern im Rahmen ihrer Vorgaben glänzen." 

(aus meinem Buch "Hinhören". Im Buchhandel unter ISBN 9789462540538 oder bei Amazon unter

http://www.amazon.de/Hinh%C3%B6ren-Ulrich-Bauer/dp/9462540535/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1446636604&sr=8-1&keywords=Hinh%C3%B6ren+Bauer)

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"Live"-Alben"

Ein Live-Album, das ist für mich fast schon so etwas ein Widerspruch in sich. Entweder ein Konzert, oder eine Platte, das war und ist für mich die Alternative. Eine Kreuzung ist problematisch. Natürlich zeigen Musiker auf der Bühne meist in epischer Länge, was sie können. Aber ist es das, was heutzutage noch interessant sein kann? Zumal die meisten Live-Alben in dem Sinne „gefälscht“ sind, dass sie im nachhinein bearbeitet wurden, dass Spuren „begradigt“, korrigiert, hinzugefügt oder rausgenommen wurden. Im stillen Kämmerlein sitzen und publikumsanimierten Eitelkeiten lauschen? Und die Musiker?: Die ganz billigen Reflexe abrufen und damit prahlen? Ich habe das schon seit vielen Jahren so empfunden. Die Konzentration auf den Song, das Stück, das ist in diesem Augenblick perdu und funktioniert vor allem direkt vor Ort in einer Halle. Aber aus meinen Boxen? Frischer sei's, direkter und spontaner, so höre ich manchmal. Auch sei das Gefühl einer Art von „Geschmacksgemeinschaft“ ausgeprägter, die "Stimmung" würde sich mitteilen. Für eine ganz bestimmte Art von Musik scheint das zu gelten. Aber es gibt ja inzwischen so viele verschiedene Arten. Manche Musiker scheinen sich auch darauf spezialisiert zu haben, ihr Material möglichst zu reproduzieren und weniger darauf, es zu interpretieren, was dann im stillen Kämmerlein Freude bereiten soll. Auch das leuchtet mir nicht ein und geht auch zu oft schief. 

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