Ich räumte der Macht der Musik schon früh in meinem Leben eine große Macht ein. Schien sie mich anfangs mehr oder weniger unbewusst zu beeinflussen, so wurde sie mir erst in der Folge sogar als ein vermeintliches Instrument der Annäherung an das Göttliche bewusst. In der Jugend. Dem Absoluten und ganz Großen galt es auch dem Zeitgeist gemäß näher zu kommen. Also improvisierte ich in mich hinein und hinaus. (Ich wählte keine formale Ausbildung z.b. an einer Hochschule, schien einem romantischen Ideal nachzuhängen, einer „freien“ Entfaltung meiner kreativen Kräfte und nicht der Verbiegung und Verbildung, einer Umlenkung und Gestaltung eben dieser Kräfte) Mit der Zeit wurde ich mir aber meiner pragmatisch begründeten Begrenzung bewusst und begrub dadurch immer mehr „den hohen Anspruch“, der wohl auch der Jugend und dem Zeitgeist geschuldet war. Ich war danach ganz offensichtlich unfähig, mich und meine Musik zu verkaufen, sie anderen Leuten irgendwie nahe zu bringen. Die Gesellschaft trat mir mit ganz anderen Ansprüchen gegenüber. Es ging ins Nichts.
Es war eine Art Verhöhnung des Textes, was ich mir da mit meiner Musik vorgenommen hatte, damals. Eine Distanzierung davon, den Text als eine Art Verkürzung zum lyrischen Gebrauchsmaterial zu deuten. Ich hatte durchaus wahrgenommen, dass in meiner Umwelt (besonders englischsprachige) Texte keinesfalls verstanden oder nachvollzogen wurden, sondern stets eine Art Platzhalter für etwas Individuelles unter Verwendung möglichst vieler „Keywords“ waren. „Liebe, Triebe, hey und ah“. Das alles, diese Mechanismen wollte ich ironisieren, indem ich solche Keywords oder Basisreize meist als handhabbare Samples (schneiden, verkürzen, verfremden, zerlegen, bearbeiten) gebrauchte und sie auch oft zertrümmerte, in ihre vokalen Bestandteile zerlegte, um sie in meinem Sinne zu manipulieren und indem ich sie auch manchmal als Geräusch, als puren Ton anstelle eines bedeutsamen Textes einbrachte. Als Journalist war es für mich auch eine Art Alltagserfahrung gewesen, dass man Text und Wort in beliebige Richtungen manipulieren konnte, dass man ihn verlängern, verkürzen oder paraphrasieren konnte. Dass man durch ihn gezielt Reize auslösen konnte, dass man ihn letztlich als Füllmaterial zur Profilierung einer meist im Vordergrund stehenden Gesangsfigur im Vordergrund einsetzen, gebrauchen, missbrauchen konnte. Ich hatte mein eigenes Konzept dann auch durchgehalten, was ein Fehler war, denn meinem Konzept wollte niemand folgen. Emotional schon gleich gar nicht. Die Verfremdung von etwas Vorgegebenem zu etwas Anonymem war offenbar zu viel, war in seinen Intentionen nicht schnell erkennbar (was heutzutage unbedingt gefordert ist). Möglicherweise hätte ich dazu zurückkehren sollen, konventionelle Songs samt dem mechanisch „passenden“ emotionalen Ausdruck zu produzieren. Zudem machten es offenbar stilistische Grenzüberschreitungen mit Flöte und Saxophon schwierig. Mein Konzept war offenbar zu abstrakt.
Mir kam relativ oft das Thema „Performance“ unter, das ja irgendwie auch mit Dada zu tun hatte. Es geht und ging dabei scheinbar auch um einen Zustand absoluter Konzentration in Kombination mit absolutem „Gehenlassen“. Wie geht das zusammen? Eine Voraussetzung dafür scheint das Heraustreten aus einer „Komfortzone“ zu sein, also das Heraustreten aus dem, was wir kennen und was uns behagt, in dem wir uns eingerichtet haben. Vielleicht strebt eine „Performance“ so etwas wie einen Rauschzustand an. Die sogenannten Dadaisten trafen sich nach ihrem Cabaret-Voltaire-Abenteuer in Zürich nun in Paris, um sich mit den Surrealisten zu umgeben. Andre Bréton, Francis Picabia oder Tristan Tzara mögen Namen aus dieser Szene sein. Die Surrealisten vermuteten so etwas wie Erlösung oft in sich selbst, im Unbewussten und weniger, wie von einigen Dadaisten so gepflegt in mystischen Zusammenhängen. Der Wille zum Schock und das Anzapfen geheimer Triebe und überhaupt: des archaischen Unbewussten mögen eine gewisse Gemeinsamkeiten signalisiert haben: was blieb, war der konstruktive Konflikt. Die Kanalisierung in eine Idiologie war bei diesen Leuten nicht möglich, geschlossene Weltbilder wurden ohnehin verabscheut. Nach dem 2. Weltkrieg traf man sich am Black Moutain College in North Carolina und war sich in Aktionen einig, bei denen unter anderem auch der große Musiker John Cage und der Maler Robert Rauschenberg mitmachten. Cage wandte sich später fernöstlichem Gedankengut wie dem Zen-Buddhismus zu. Rauschenberg war ein Liebling der Pop-Art-Szene. Seine Werke hängen heutzutage hochdekoriert und -bezahlt in den angesehensten Museen der Welt. Man veranstaltete damals gemeinsame „Untitled Events“, bei denen verschiedene Kunst verschiedener Herkunft gleichzeitig aufgeführt wurde.
Ich ertappe mich dabei, wie ich immer wieder „One“ höre, in der Version von Johnny Cash. Ob es da etwas ausmacht, dass das für mich etwas (end)Gültiges hat? Oder ob es mir nur einfach gefällt? Das Baden im schönen Weltschmerz? Kitschy? Dann auch „Bird on the wire“, Beides uralte Songs, die mich begleitet haben, die immer da waren. Ich höre die Version von Tim Hardin. Im Unterschied zu der von Leo Cohen ist sie nackt, unumwunden, niederschmetternd für das Ego. Jedenfalls tief gehend. Themen, Motive, die mich umspülten, einhüllten, Trost gaben, aufmunterten, Richtungen, Möglichkeiten zeigten. Jetzt gewinnen sie einen anderen Ernst. Ja klar, prominente Songs. Jeder ab einem bestimmten Alter kennt sie. Aber sie gewannen Persönliches für mich. Es gab einen Kokon aus Songs, Ausdrücken, emotionalen Statements, die mich – wie das „Geschäft“ sagt – berührten und immer wieder auf mich zukamen.
Amy Winehouse, Jimi Hendrix, Jim Morrison und andere Rockstars: alle mit 27 Jahren gestorben. Haben kurz und intensiv aufgeblüht. Sie sind dann in ihrem eigenen Mythos untergegangen und ins Grab gesunken. Die Rockszene hat romantische Projektionen darüber gesponnen. Auch weil es einmal dem Zeitgeist entsprach. Die Welt romantisieren: kurz und intensiv der Ekstase entgegen, mit flirrenden Versen und einem aus dem tiefsten Innern kommendem Impuls des Musischen. Voller Visionen und unerreichten Horizonten. Die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit erkunden. War es das? Oder war es ein Spiel mit Versatzstücken, berechnend und kalt? Der heutige Zeitgeist würde einem solches mit einem Grinsen nahe legen. Die endliche Existenz überwinden: ob da auch Drogen ihre Rolle gespielt haben mögen? Nicht nur die Technoszene gibt da eindeutige Antworten. Im Rausch der Maschinen in eine spezielle Hypnose kommen. Die ihre Macht über uns ausübte, lange vor KI. Das alles nun wiederum wäre der Romantik kaum anzulasten. Ihre Romantisierung will sie meist aus sich heraus und nicht mit wundersamen Hilfsmittelchen erreichen. Oder? Kam etwa die englische Romantik da auch ein bisschen ins genussvolle Schleudern? Shelley, Byron und ähnliche Geister, deren späte Nachfolger sich in der Gothic-Szene tummelten? Romantizismen solcher Art sind in der Popmusik längst verschwunden und eiskalten Marketing-Strategien gewichen, so scheint es. Die zeitgeistige Welt ist aus dieser Sicht codiert, hat in all ihren Elementen ihre Funktion, die es unter wissenschaftlichen Aspekten zu erkennen gilt. Positivistisch. Einzeln. Vereinzelt. Spezialisiert. So etwas mag das schiere Gegenteil von Romantik verkörpern.
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Amy Winehouse, Jimi Hendrix, Jim Morrison and other rock stars: all died at the age of 27. They blossomed briefly and intensely. Then they sank into their own myth and into the grave. The rock scene spun romantic projections about them. Also because it was once in keeping with the spirit of the times. Romanticizing the world: briefly and intensely towards ecstasy, with shimmering verses and an impulse of the artistic coming from deep within. Full of visions and unattainable horizons. Exploring the reality behind reality. Was that it? Or was it a game of set pieces, calculating and cold? Today's spirit of the times would suggest such a thing with a grin. Overcoming finite existence: did drugs play a role in that? It is not only the techno scene that provides clear answers. Entering a special hypnosis in the intoxication of machines. That exerted its power over us long before AI. All of this, on the other hand, could hardly be blamed on romanticism. Its romanticization is usually something it wants to achieve from within itself and not with miraculous aids. Or is it? Did English Romanticism also get a bit of a slump in pleasure? Shelley, Byron and similar spirits, whose late successors cavorted in the Gothic scene? Romanticisms of this kind have long since disappeared from pop music and given way to ice-cold marketing strategies, or so it seems. From this perspective, the zeitgeist world is coded, has its function in all its elements, which must be recognized from a scientific perspective. Positivistic. Individual. Isolated. Specialized. Something like that may embody the complete opposite of Romanticism.
Ich glaube, dass Sprache und jegliche Zeichen mittlerweile durch einen zweifelhaften Gebrauch (Fake News, PR-Sprech, Politik) und durch die Entwicklungen der AI völlig diskreditiert ist, dass es nichts als eine Konvention ist, wenn Sprache in braven Versen zum Einsatz kommt. Dagegen setze ich in meiner Musik oft Wortfetzen und menschliche Äußerungen (Sport, Kopulation, Rülpsen, Furzen usw.), die sonst kaum zu hören sind…., fühle auch intensive Verwandtschaften zu Dada…...