Rock und Pop kommen irgendwo her

Ich höre Pink Floyd und Bob Dylan, die jeweils Neue. Dabei denke ich, dass es ein Segen ist, dass wir solch entwickelte Namen, Charaktere, klar konturierte Personen, einigermaßen autonome Künstler in der Rockmusik haben. Sie sind ja wohl ein Relikt aus der Zeit der Rockmusik, in der das Tagesgeschäft des Pop noch nicht alles überwölbte. Mein Plattenhändler sagt da immer: „Aber die hatten auch lange Zeit, sich und ihren Stil zu entwickeln. Das haben die heute nicht mehr“. Richtig. Ein Titel und Album muss möglichst schnell „ankommen“, muss seine Umsätze machen, andernfalls gibt es keine Zukunft für den Act auf dem jeweiligen Label, das wie selbstverständlich darauf gerichtet scheint, „Kohle zu machen“. Klar, es gibt ja genügend andere Künstler, die nur darauf warten, an diese Stelle zu treten und in vorauseilendem Gehorsam das produzieren, was von ihnen verlangt wird. Es gibt keine langfristige Strategie mehr, - und schon gar keine mehr, die darauf gerichtet sein könnte, Künstlertum zu entwickeln. Das Seltsame ist oft, wie sehr das die jeweiligen „Künstler“ verinnerlicht haben. Wie sehr sie die Mechanismen zu akzeptieren scheinen. Nein, früher war nicht alles besser. Aber Rockmusik und ein bisschen auch die Popmusik hatten so etwas wie ein Anliegen. Und wenn es auch nur ein unbestimmtes der Emanzipation war: Es war dabei, gab Motivation, sorgte quasi von selbst für „Abgrenzung“ und „Alleinstellungsmerkmal“.

Heute wollen sich viele Hörer vom Mythos oder vom Augenblick überwältigen lassen. Vom augenblicklichen Kick Wie in der Werbung. Klar, diese hat sie und ihre Einstellungen ja jahrzehntelang geformt. Das scheinbar „emotionale Erlebnis“ steht dabei im Vordergrund, der augenblickliche Kick. Auch deshalb profitieren die wenigen der großen Köpfe, die in der Rock- und Popmusik überlebt haben, davon. Die Konkurrenz wird ja immer weniger. Bob Dylan? Ein Kauz, ein Zausel. Einer, der viel von sich gegeben und eine lange Entwicklung hinter sich hat. Einer der sich von Baudelaire beeinflussen ließ. Einer, der viele Dimensionen hat und Metamorphosen durchlebt. Einer, an dem sich die scheinbar „Kundigen“ und Kulturauskenner die Finger wund schreiben. Einer mit literarischen Ambitionen. Beinahe Nobelpreisträger. Jedes Jahr beinahe. Einer, der nicht nur aus Hibbing, sondern aus dem New Yorker  Greenwich Village kam und der prominenter als Elvis werden wollte. Einer, der für Unterhosen Werbung machte. Ein Mann mit vielen Gesichtern. Einer, mit dem es lohnt, sich zu beschäftigen. Pink Floyd, die früheren Aushängeschilder des Gigantismus, scheinen aus ähnlichen Zeiten zu kommen und schufen einst einen Klangraum, in dem sich viele wiederfanden. Eine Spielweise, die mit drogengetriebener Weite verbunden war und hochfahrenden Vorstellungen, die später von den Auskennern natürlich schnell und mühelos niederzumachen waren. Zumal sie sich – naja – bei ihren Konzerten prostituierten. Sie verkauften sich und ihr Image. Was ist schon dabei?, fragen heute die einschlägigen Popgeister. Genauso fragten wir uns das damals auch, - nur mit einem anderen Zungenschlag. Rock und Pop wurden auch mit ihrer Person immer mehr zur Ware. Zum Branding. Zur Marke. Heute scheinen sie losgelöst zu sein von solchen Überlegungen und haben dreistellige Millionenangebote locker abgelehnt. Klar, sie können es sich leisten. Ihre Marke strahlt heller denn je, ist ihr im Laufe der Jahre doch kaum Konkurrenz erwachsen, trotz all der New Age- und späteren Wellness-Lounge-Spülung. Sie haben und hatten etwas Eigenes, das auch jetzt, da zwei von Vier verschwunden sind, immer noch seine geheimnisvolle Anziehungskraft hat. Wollen wir das kritiklos akzeptieren? Wollen wir in greinende Nostalgie verfallen. Nein, aber es ist ein Teil von uns und der Rockmusik, die sich als Popmusik zum grellen Instantprodukt gewandelt hat. Da sind weder Dylan noch Pink Floyd dabei, - sie scheinen vielmehr darüber zu stehen.   

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