Im brüderlichen Punch

Was ist denn das? Eine Mandoline ganz am Anfang des Albums könnte in einen Bluegrass-Zusammenhang führen. Mag ich auch. Bluegrass wäre okay. Doch das Geschehen biegt in eine ganz andere Richtung ab. Starker Gesang. Gestrichener Bass. Es wirkt, als käme es irgendwie vom Bluegrass her, - auch vom Folk (was auch immer das sein soll), - weil es alles noch akustisch ist – und bleibt. So richtig bewusst wird uns das aber nicht, weil diese Strukturen in der Folge auch populäre musikalische Gefilde streifen, sehr kompakt auf den Punkt kommen und trotzdem sehr viel Leidenschaft ausstrahlen. Es sind die Punch Brothers mit ihrer neuen CD „The Phosphorescent Blues“. Sie waren zuletzt auch im Film „Inside Llewyn Davis“ von Joel und Ethan Coen zu hören. Es ging ja dabei um die ehemalige Folkszene des Greenwich Village im New York Anfang der sechziger Jahre. Dabei kam der Gedanke auf, das nächste Album zusammen mit dem hoch eingeschätzten Produzenten T-Bone Burnett aufzunehmen, mit dem es zuvor schon zur Zusammenarbeit an verschiedenen Projekten gekommen war. Der große T-Bone Burnett hatte ja über The Punch Brothers gesagt: „Sie sind eine der unglaublichsten Bands, die dieses Land je hervorgebracht hat“.

Und so verbrachten sie alle zusammen einen Monat lang in einem Studio in Hollywood, um „The Phorescent Blues“ aufzunehmen. der Drummer Jay Bellerose und T-Bone-Burnett selbst mit seinen Gitarren durften auch mitmachen. Es gehen da Elemente von Rock, Folk, Jazz, Bluegrass, Klassik und anderes so locker zusammen, dass der Hörer anfängt, T-Bone Burnetts Aussage ernster zu nehmen. Das hier ist überbordende Musikalität, die ansteckt. Eine Art Anführer scheint bei den Punch Brothers der Mandolinspieler Chris Thile zu geben, der die Aufmerksamkeit des Hörers mit seiner Mandoline in Richtung Bluegrass lenkt. Doch Gabe Witcher (vocals, Fiddle), Chris Eldridge (vocals, guitar), Noam Pikelny (vocals, Banjo) und Paul Kowert (Vocals, Bass) nehmen die Bälle auf und werfen sie verspielt in alle Richtungen zurück.

Thile: „Nach unseren Shows oder unseren Sessions gehen wir oft in Bars, um ein bisschen unter die Leute zu kommen. Und dort sehe ich Leute wie mich am Mikrophon, die von anderen Leuten erzählen und dass sie sich wünschten, sie wären auch da; oder auch Leute texten SMS-Nachrichten an andere Leute, die tatsächlich da sind. Dann kommt vielleicht ein Song, den jemand mag, uns sie sehen, dass auch andere Leute diesen Song mögen, und vielleicht singen sie ihn dann sogar zusammen, und dieser Moment ist dann sehr spirituell. Sie teilen eine gemeinsame Erfahrung und sie interagieren über ihre Körper mit dem, der neben ihnen steht. Und das ist eine Art von Kommunion. Viele Songs auf diesem Album tauchen in diese Fragen ein: Wie kultivieren wir die wunderbaren, dreidimensionalen Erfahrungen mit unseren Nachbarn an diesem Tag und in diesem Zeitalter?“. Im Kontakt mit T-Bone-Burnett stellte sich dann heraus, dass er ähnliche Gedanken hatten. Das Album könnte insofern eine Art musikalischer Meditation über solche Fragen bedeuten. Dass es das so spinglebendig ist, ist nicht die einzige Überraschung, die es bietet.

Wir wollten nur mal reinhören in diese Produktion und sind kleben geblieben. Etwas, was mich im musikalischen Zusammenhang schon lange nicht mehr so intensiv überkommen hatte, war plötzlich da: Spannung. Sie haben sogar Motive von Claude Debussy („Passepied“) oder Alexander Scriabin („Prélude“) einfließen lassen. Was das Beste: das wirkt nie selbstgefällig oder führt hohles Virtuosentum vor. Diese Musiker tollen auf einem musikalischen Spielplatz herum und fassen das Ergebnis in eine stimmige Form. Noch einmal aus den vielen Überraschungen des Albums herausgehoben sei, dass der Gesang unglaublich gut ist, in jeder Hinsicht. Und und und... Es ist ein Abenteuer, das einen nicht los lässt. Repeat. 

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