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Projektionen und Verkörperung

Projektionen sind das, was Leute in etwas oder Jemandem sehen wollen, was sie „hinein legen“. Es gilt nun für gewisse Leute, diese Stanzen, Schablonen und vorgeformten Erwartungen durch Sprüche, Haltungen und Anmutung handwerklich perfekt auszufüllen. Sie tun das gerade im Popgeschäft (aber auch in der Politik) viel, was nicht unbedingt mit ihrer Musik zu tun hat. Sie geben eine bestimmte Figur, nach der die Masse aus bestimmten Gründen verlangt. Prinzip: Es werden beispielsweise Sehnsüchte projeziert: der „Star“ lebt das, was jemand gerne sein würde. Er lebt in einem Märchen. Er lebt stellvertretend für jemanden etwas aus.

Er ist unermesslich reich, wo ich mir Gedanken um das Überleben in den nächsten Tag hinein machen muss. Meine Gefühle werden durch ihn fokussiert wie in einem Spiegel einer Figur. In der Rockmusik ist das unter anderem der unerschrockene Künstler, der Individualist, der bedingungslos sich selbst lebt. „Vitalismus“ nannte das 100 Jahre zuvor der Philosoph Friedrich Nietzsche. All das ist dem „normalen“ und mehrfach vergesellschafteten Konzertgänger nicht vergönnt. Der „Star“ (Mittlerweile bedeutet das gar nichts mehr: es soll schon ein „Superstar“ oder „Megastar“ sein!) zieht sämtliche Emotionen auf den eigenen Projektionsschirm, er vereint, bündelt und verkörpert sie, oft auch im Hinblick auf ein bestimmtes Handeln aus einer bestimmten Haltung heraus, - was eine gefährliche Nähe zu totalitären Machthabern abgibt, die ebenso zu so etwas neigen. Konzerte gestalten sich insofern wie Gottesdienste, bei denen es gilt, solchen industriegefertigten Figuren zu huldigen. Es werden scheinbar eherne Weisheiten verkündet, die Orientierung verleihen sollen und ein "Angebot" darstellen. Es gilt, Zeremonien der Verehrung und Bewunderung zu vollziehen.