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Pop und Vermarktung

Man ist Zwängen ausgesetzt, Competition, Markt, Wettbewerb, es geht ums Vergleichen, man soll besser sein, kundiger, schneller, witziger, besser..... Ich merke, wie ich in Richtung einer Multifunktionsarena gehe, in der alles angeboten wird: vom Handballspiel über Volleyballspiele, über Boxkämpfe bis hin zu Metallica, Ramstein und Helene Fischer. Unterbezahlte Ordner stoßen einen hin und her, sollen für Sicherheit sorgen, sollen sie produzieren angesichts der Ereignisse jüngster Vergangenheiten. Es gilt aber trotzdem im Sinne gewisser Absahnerverdiener möglichst viel Menschen in die Halle hinein zu pferchen. Unablässig werden hier die Besucher von allen Seiten mit bunten Werbebotschaften bombardiert, alles ist plakatiert, bedruckt, bespielt, genormt und geformt mit bunten Werbemitteilungen, die dich und überhaupt möglichst viele, wenn nicht gar alle, erreichen sollen: als Zielgruppe. Du bist selbst zur Zielgruppe geworden, eine anonyme Ziffer unter vielen. Du wirst bearbeitet. Auch mit „Big Data“. Von großen Konzernen. Mit Algorithmen. Es ist hier eine Hardware des Abspulens der sich immer schneller beschleunigenden Zeit, für eine Kultur, die seelenlos, kalt, produziert und von Marketingstrategen gelenkt ist, die klar profitorientiert daher kommt, eine Fabrikhalle, in der „Produkte“ der Kulturindustrie „hergestellt“ und "konsumiert" werden.

Nichts gärt da mehr, gibt sich kritisch, ist noch halbwegs als menschlich zu erkennen oder kann als eine Aufforderung zur erstaunten Annäherung verstanden werden, alles ist ausproduziert und zu sehr offensichtlichen Häppchen ohne jedes Geheimnis verarbeitet. Diese Halle verströmt funktionellen Charme, alles ist sauber und betoniert und zweckdienlich, gepflegt und instand gehalten von einem Heer unterbezahlter „Hilfskräfte“, die sich mit ihrem Job so sehr identifizieren, um bloß nicht gekündigt zu werden. Sie bürsten dich ab, gehen mit dir um und scheinen nicht zu begreifen, dass auch du nur einen Job machst. Halt an anderer Stelle. Vertreter des „Publikums“ fassen sie nicht eben mit Samthandschuhen an. Sie sind für sie eine anonyme Masse, eine dunkle Brut, die es zu disziplinieren gilt. Doch eventuelle Ausrutscher oder Ausfälle sind hier einkalkuliert, von vornherein vorgesehen. Du hattest riesige Probleme, einen halbwegs zugänglichen Parkplatz zu finden. Die meisten Leute meinen, du seiest darin als Medienmensch privilegiert. Es gäbe Presseparkplätze oder derartiges. Sie konnten nicht mitbekommen, dass die Meute der Journalisten inzwischen auch polarisiert, sortiert und klassifiziert ist. Manche sind wichtiger als andere, - wie bei der Masse der Besucher auch. Ich für meine Person weiß nur, dass ich mir regelmäßig als „der letzte Arsch“ vorkomme.

Kreislaufaussetzer unter den „Fans“ werden penibel abgezählt, dann stolz vermeldet und mehren so den Ruhm der Auftretenden. Ko gegangen wegen übergroßer Begeisterung. Wow! So ist halt die Masse - oder wenn der Mensch jung ist. Es ist alles sehr direkt. Das Publikum soll während (!), vor und nach den „Darbietungen“ ohnehin möglichst rasch den Weg zu den Verkaufsständen von Pommes oder Bier suchen und danach anstandslos die Lokalität hin zu den Parkplätzen verlassen. Dabei ist meist stundenlanges Ausfahren aus der völlig überforderten Verkehrs-Infrastruktur angesagt, hupen und Fäuste ballen, während tausend anonyme Helferlein das Bühnenequipment abbauen und schon in der Nacht weiter fahren müssen. Draußen knattern schon die Dieseltrucks vor sich hin. (Statt aus den völlig überfüllten Parkplätzen auszufahren zu versuchen, solle man halt öffentliche Verkehrmittel benutzen, so heißt es hier. Richtig!. Doch was macht der, der aus dem Umland kommt, das mit öffentlichen Verkehrsmittel kaum noch oder meist nur noch durch sehr teure Fahrpreise und äußerst zeitintensiv (zu so späten Zeiten sowieso nicht mehr „bedient“) erschlossen ist?)

Hier bin ich, hier darf ich sein, so scheint das alles dem meist deprivierten, herunter gekommenen und von sozialen Abstiegsängsten erfüllten Publikum zu bedeuten. Nebenan befindet sich das Fußballstadion „Mercedes-Benz-Arena“, in dem der VFB kickt und die körperoperierten Millionäre in den VIP-Bereichen Kaviar verdrücken. Besucher aus diesen gesellschaftlichen Schichten können sich hier mal, wie sie meinen, so „richtig unters Volk mischen“. Veranstalter können hier in der Halle alles anbieten, vom Eishockeyspiel über Boxkämpfe bis hin zu Metallica, - und vor und nach dem Konzert werden die Besucher (die als anonyme Masse behandeln lassen und dafür reichlich löhnen) unablässig wieder und wieder mit bunten Werbebotschaften bombardiert. Es ist die Playstation der Kultur, „die sie meinen“: seelenlos, kalt, ohne Charme, eine Halle, in der „Produkte“ der Kulturindustrie „hergerichtet“ werden, eine Feier des Konsums und der Ablenkung. Insofern sind sie alle austauschbar, ist alles austauschbar, könnte überall stehen und sich gegen Geld anbieten. Diese Hanns-Martin Schleyer-Halle ist immerhin nach einem von den RAF-Terroristen ermordeten Arbeitgeberpräsidenten benannt und nicht - wie an anderen Orten üblich - nach einem Mobiltelefonkonzern, einem Automobilkonzern, einem Versicherungsgiganten oder einer Bank, als im wahrsten Sinne des Wortes leuchtende Beispiele für ein „System“, das mit seinen ökonomisch geprägten Maßstäben inzwischen überall präsent ist und die Gehirne beherrscht. Wachstum um jeden Preis ist angesagt, die „marktkonforme Demokratie“ hat wahrlich obsiegt. 

In den letzten zwanzig Jahren ist eine Kommerzialisierung des Konzertgeschäfts erfolgt, eine Industrialisierung des Konzertwesens, deren Dimensionen so weitreichend sind, wie sie gleichzeitig in der öffentlichen Diskussion fast völlig verschwiegen werden. Eintrittskarten werden da beispielsweise über das Internet vertrieben, mit Gebühren, die den Veranstaltern früher die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten. Doch, so wird dann gerne beschieden, das Musikgeschäft hat sich verändert. Geld verdient wird heute mit Konzerten, nicht mehr mit CDs oder anderen Tonträgern, die zu einer weitgehend wertlosen Masse geworden sind und längst untergegangen sind in der Masse der lizenzenbewehrten Downloads oder Crossmarketingaktivitäten.

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