Unübersichtliche Desorientierung

Klar ist: alle haben zu allem eine Meinung, besonders wenn es um den eigenen Geschmack geht. Uneingestandenermaßen suchen sie aber gleichzeitig nach Orientierung, nach der klaren Trennlinie zwischen Schwarz und Weiß, sie suchen nach dem, was wahr (!) ist, gelegentlich auch mithilfe von „Experten“ (in diesem Falle professionelle „Kritiker“), die „Objektivität“ versprechen. Was ich oft gehört habe: Objektiv falsch! Jemand, der ein (begründete) Meinung kundtut, gibt nie objektive Wahrheiten von sich! Es kann sich nur um mehr oder weniger qualifizierte Meinungen handeln. Aber nie um etwas Objektives. Es können beim „Konsumenten“ aber auch gewisse Ängste eine Rolle spielen. Etwas nicht mitzukriegen, was spielentscheidend ist. Nicht auf der Höhe der Zeit sein. An dieser Stelle wird man auch schnell empfänglich für Verschwörungstheorien. Diese wollen einem erklären, was in Wirklichkeit hinter den Kulissen so ganz ganz wirklich abläuft. Es bilden sich Ängste vor einer Realität, die einen nicht nur bei Nichtbeachten der zeitgeistigen Wegweiser womöglich sozial abrutschen lässt, die einen auf irgendeiner Karriereleiter zurückwirft. Dies ist eine Realität, die auch Fremdes und die Fremde zu bieten hat, das Uneinheitliche, Wilde. Nicht nur an dieser Stelle wird gerne nach „Experten“ gerufen. Diejenigen, die sich stellvertretend für uns mit einer Sache intensiver beschäftigen. Blöd nur, dass diese „Experten“ auch ihren eigenen Interesse und ihren eigenen Erkenntnismöglichkeiten unterliegen. Auf diese und jene Weise. Dass auch sie für uns einen Kontrollverlust bedeuten. Wir wollen Eindeutigkeiten, nicht Vieldeutigkeiten, die vielleicht einer Realität besser entsprechen würden. Wir wollen sie wissen, diese Eindeutigkeiten. Uns plagt eine tiefe Sehnsucht danach. Es muss doch für nahezu alles einen Sinn und eine Verantwortung geben, - oder nicht?.

 

Blöd nur, dass die heutige Wirklichkeit viele solcher Vieldeutigkeiten und Ungewissheiten (auch in Bezug auf die „Verantwortung“) auf uns bringt. Wie damit umgehen? Angesichts solcher Verhältnisse könnte so mancher Mitmensch auf die Idee kommen, sein Ego „neu erfinden“ zu wollen. Dies ist ja aus den auch hier nachgezeichneten Gründen ein Modethema geworden und hat viele Dimensionen. Wir könnten auf diese Weise bei der sogenannten und vielbeschworenen „Globalisierung“ vielleicht besser dabei sein. Mitreden, dabei sein ist alles, - wirklich? Diese „Globalisierung“ scheint ohnehin nicht mehr zu beherrschen zu sein und überspült uns auf mannigfache Weise alle. Sie scheint die Welt zu prägen und bringt auch diese autoritären Politikstile hervor, die scheinbare Antworten geben. Auch die Kirche btat da einst mit und spielte ihre Rolle im sozialen Gefüge. Es geht ja in Wirklichkeit um das, was die Soziologie „Komplexitätsreduktion“ nennt. Vereinfachungen, die das Leben leichter machen wollen, die Orientierung bieten sollen, indem sie die Unübersichtlichkeit auf einfache Muster reduzieren. Gut oder Schlecht, Schwarz oder Weiß. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0