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Insider

Wenn ich heute Artikel über Popmusik lese, so stelle ich fest, dass der Trend zum Hype, vermischt mit sehr persönlichen Vorlieben, sich noch verstärkt hat seitdem ich aus diesem Bereich gegangen bin. Wenn überhaupt etwas Substanzielles abgesondert wird, so werden ziemlich unverblümt sehr subjektive Geschmacksurteile vermischt mit dem momentan grassierenden Hype aufgefahren, um eine eben nett ausgespuckte „Meinung“ sofort zu verallgemeinern. Es wird offenbar ein Kaufrausch inszeniert, dem sich der „normale“ alltägliche „Konsument“ allein schon aus Mangel an Geld gar nicht hingeben könnte. Bei der Wahrnehmung solcher Mechanismen konnte ich lächelnd auf eigene als „Lesefrüchte“ formulierte Erfahrungen zurück greifen. Postmoderne ahoi! Was zählte und hip war, das war die kopfnickende Zustimmung zu heiligen Kühen des Popkanons, dieses Gefühl des „Dabei-seins“,  „Ganz-vorne-seins“ und des "Wissens um das Relevante",  das für mich stark in eine bestimmte soziale Richtung zeigte: Distinktion war angesagt, „drin“ und „draußen“ sein. Etwas, was ich zu kennen glaubte. Ein Wissender sein, der völlig seiner Wahrnehmungsblase verhaftet, ignorant und arrogant den Kanon dessen beschwor, was als „hip“ galt. Es gab dabei Chiffren des Auskennens, die dem Bildungsbürgertum und seinen „Kriterien“ ziemlich nahe standen.

 

Pop musste grell, unanständig und lustbetont sein, sonst taugte es nichts. Basta. Je mehr, desto besser. So stand's geschrieben. Gleichzeitig wurden alternde Götzen in all ihrem Tun angebetet, die das gar nicht so wollten: Bob Dylan zum Beispiel. Wo war da der Zweifel, der uns, die wir uns um etwas anderes mühten, alle gelegentlich beschlich? Wo war das Argument, das uns betroffen hatte, all die Unsicherheiten, die uns und eine bestimmte Art von Musik grundsätzlich absetzte von diesen eitlen Kulturpäpsten, den geschmäcklerischen Selbstinszenierern, den Bescheidwissern der Kultur, die halt in der Arena der netten Formulierungen eine weitere Pirouette drehten, ohne jemals die gesellschaftlichen Bedingungen für ihr Kritiker- aber auch für das „Künstlerdasein“ zu berücksichtigen? Waren wir allwissend? Wer waren wir überhaupt? Es schien bei all diesen hippen Aufgeregtheiten um eine Art Konsumberatung zu gehen und um eine durch extreme Formulierungen oder steile Thesen aufgepumpte „Expertise“ des Kundigen, um Demonstration von Insidertum. Das alles fing damit an, dass das Gefällige und Artige, das handwerklich „Gut Gemachte“ als Pop plötzlich angesagt war, mochte es sich auch noch so schlimmen Klischees der Götzenanbetung bedienen und affirmativ im Einklang mit der es umgebende Kulturszene sein. Im allgemeinen Getümmel von Techno, Punk, Metal, Elektro oder Grunge schien das sowieso egal zu sein. Da blickte sowieso niemand mehr durch. Und dazwischen der gehasste Mainstream, das Gewöhnliche und Alltägliche, von dem man sich mit allen Mitteln abzusetzen versuchte. Dass Pop irgendetwas mit dem Wort „popular“ zu tun hatte, wurde durchweg geleugnet und war etwas für die stumpfe Masse der „Konsumenten“, von denen man sich kraft seines selbstgenügsamen Auskennertums in seine Nische absetzen konnte. Ja, aber so hat Pop und Rock immer funktioniert! Ein System von Zeichen verstehen, im Gegensatz zu „den Anderen“. Mittlerweile hat sich all das nivelliert und ist in einem Strom von überall grassierenden Klängen untergegangen. Der Mechanismus funktioniert längst nicht mehr und ist im anonymen Showbiz verschwunden.