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Pop aus deutschen Landen

Es ist dies hier eine Art Entgegnung, die aber Ergänzendes, Kritisches, Bemerktes aus meiner Sicht dem Artikel hinzu schieben will. Schade, dass es derart Grundsätzliches so wenig gibt in der Presse. Man könnte ja Linien aufzeigen, rote Fäden suchen, Parallelen zum Zeitgeist aufspüren, sich auseinander setzen. Wenn man es versuchen würde. Möglicherweise wäre das aber zu unpopulär.

Dass der deutsche Songschreiber Heinz Rudolf Kunze damals eine Debatte über deutschsprachige Musik mit den vielleicht falschen Argumenten angestoßen hat, mag ihm leid getan haben. Er wurde plötzlich auf der völlig falschen Seite verortet. Immerhin scheint seine Intervention in Erinnerung geblieben zu sein, von einem, der Gehirn und Herz irgendwie vereinen wollte. Solche Titel wie „Dein ist mein ganzes Herz“ scheinen mir diesem Bestreben geschuldet zu sein. Der Mann war ja offensichtlich hin- und hergerissen. Mir hat damals auch einiges an ihm nicht mehr gefallen, nachdem ich mir seine ersten Scheiben alle gekauft hatte. Diese niedersächsische Brille war ja immerhin mein Jahrgang, hatte meine Zeiterfahrung, meinen Blickwinkel geteilt. Dass schon damals, zu Zeiten seiner Sprachintervention, in Frankreich eine bestimmte Quote für Französischsprachiges galt, scheint hierzulande nicht so sehr bekannt gewesen zu sein. Fürs Französische scheint man sich ohnehin nicht so sehr zu interessieren. Jedenfalls scheint er unter anderem auch darauf Bezug genommen zu haben. Und dass die deutsche Sprache in den Medien damals am Untergehen war: Nun ja, das war vielleicht schon mal eine unglücklich durchgeführte Intervention wert.

Heute hat sich das geändert, auch ohne dass deutschsprachige Musik in den Medien durch eine staatlich legitimierte Instanz vorgeschrieben wäre. Felix Austria! Nun ja, Bands wie Wanda scheinen mir dem populistischen Zeitgeist entsprungen zu sein und wenig Innovatives (wenn ich diese Kategorie für die Popmusik ernst nehmen würde!) zu leisten. Für die Band Bilderbuch gilt aus meiner Perspektive Ähnliches. Meist werden in diesem Zusammenhang noch die Band Ja Panik und das Projekt Soap & Skin von Anja Plaschg genannt. Abseitiges als Selbstzweck reicht mir nicht. Nun ja, haut mich alles nicht so sehr vom Hocker, als dass es für mich eine Art populäres Gegenprogramm zum unsäglichen Xavier Naidoo, zum Altpopstar Marius Müller-Westernhagen, zum deutsch daherbrüllenden Obertänzer, dem Grönemeyer-Herbert oder zu den Popschlagertussis Helene Fischer und Andrea Berg abgeben würden. Im Grunde langweilen mich diese Figuren alle sowohl als Popstars als auch mit ihrer Musik.

Die Fantastischen Vier, der Neuanfänger Clueso oder das Nordlicht Materia? Brennen sich mir auch nicht gerade unwiderstehlich ins Gedächtnis. Diese neuen Sensibilisten wie Max Giesinger, Philipp Poisel oder Johannes Oerding, flankiert von einem Tim Bendzko (der nur mal schnell noch die Welt retten wollte und damit einen riesigen Hit gelandet hat) oder Andreas Bourani (der mit dem deutschen Weltmeister-Image zu kokettieren scheint...) finde ich im stillen Kämmerlein für mich kaum durchhörbar. Solche Bands wie Freiwild (New School, modifiziert, nationalistische Scheise) oder Böhse Onkelz (Old School) gehören für mich in dieselbe Kategorie. Es zieht mich einfach garnichts an ihnen an. Ich könnte auch behaupten: sie sind mir zu langweilig. Politisch, ästhetisch. Insgesamt. Den Spruch von Jan Böhmermann, den ich ansonsten nicht gerade mag, finde ich treffend: „„Gefühle abklappern, Trost spenden, Tiefe vorgaukeln“. Dass er selbst einen vom Schimpansen aus herum liegenden Textbausteinen kombinierten Titel aufgenommen hat, der auch gleich zum Hit wurde, mag da so manches unterstreichen. Seine Einschätzung „Biomusik aus industrieller Käfighaltung“ trifft den Nagel voll auf den Kopf.

 

Wobei all dies einiges über den deutschen Publikumsgeschmack aussagen mag, denn Popmusik hat noch immer etwas mit „populärer Musik“ zu tun. In dieser Hinsicht sind Die Einstürzenden Neubauten oder The Notwist wohl nicht gerade leuchtende Gegenbeispiele. Diese Leute machen meiner Meimung nach keine „populäre Musik“, sondern Musik, die sich an eine bestimmte Zielgruppe wendet. Eine Nische. Leute mit einigermaßen elitärem ästhetischem Empfinden. Heile Welt und Eskapismus? Ist das Kritik, Vorwurf? Nun ja, dies Bedürfnis scheint mir die Popmusik immer schon erfüllt zu haben. Auch die sogenannte gute und ganz besonders die anglophone Welt. Diese „Popstars“ versuchen doch nur, auf ihre Weise dem Zeitgeist entgegen zu gehen und – ganz wichtig! - etwas damit zu verdienen. 

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