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Das Gewordene in der Popmusik

Ich gehe weiter an meinen CDs entlang und entdecke, dass sich ganze Clusters gebildet haben, um Namen und Bezeichnungen herum. Ich denke: Es hätten dies Pfade der Entfaltung und Individualisierung sein können. Doch sie kreuzten sich auf verschiedene Weise mit denen der Erwartungen, insbesondere kommerzieller Art. So ist das in der Popmusik halt. Es ist die Macht des Faktischen. Da ist Zum Beispiel Dead Can Dance: Ein ansehlicher Block in meiner Sammlung. Die Anfänge, die hauptsächlich die beiden Protagonisten Lisa Gerrard und Brendan Perry in den Mittelpunkt stellten. Es verwunderte uns, es erstaunte uns, es zog uns hinein in seinen Strudel. Doch dann wurde es immer breiter, unter dem Titel schien sich ein ganzes Ensemble zu versammeln, wohl auch bedingt durch große Tourneen. Es kamen Kooperationen mit anderen Künstlern und "Projekte" aller Art, das Ding schien auszufransen. Mittlerweile gibt es die Marke wieder, mit routinierten und scheinbar auf Personaleinsparung aufbauenden Stücken, denen ein bisschen von dem ehemals Abenteuerlichen vergangener Tage eingeimpft worden ist.

Das atmet für mich den Geist der Macht des Faktischen und mündet in eine gepflegte Langeweile. Träume werden zu einem Sedativum, alles ist am Platze seines Wohlklangs, zitiert sich selbst in aktueller Weise. Dies alles produziert in mir eine innere Leere, die damals etwa noch das DCD-Album „Spiritchaser“ ausgefüllt hat. Ich lege das Album auf. Da war so etwas wie Tiefe. Da war nicht jene Selbstzufriedenheit, die sich selbst genug ist, sondern eine, die etwas mit einem machen konnte. Auch wenn ich es heute höre! Ja, man durfte damals annehmen, dass die beiden das auch können, einen einspinnen in eine dunkle Atmosphäre, aus der heraus es kocht und brodelt. Doch mittlerweile erstaunt einen nichts mehr, es gibt kaum noch unerwartete Reize, es träufelt sich angenehm in einen hinein, die Strukturen sind ausgefeilt und clever überlegt.....

Das reicht immerhin, um alte Anhänger zum Kauf zu mobilisieren und die Popularität zu pflegen, auch ich habe ja meine Exemplare. Doch die Hauptakteure scheinen entdeckt zu haben, dass sie wichtig geworden sind, dass sie eine Art Lebenswerk zustande gebracht haben, eine Art Lebenswelt und Glocke des Wohlfühlens, die immer wieder mit noch größerem Aufwand vorzuführen, Sinn macht. Den Sinn, einen ganzen Lebensstil finanzieren zu können, mit dem Luxus der Reichen und Begüterten dieser Welt mithalten zu können. Es ist in etwas gemündet, das die alten Vorstellungen verwaltet und ihnen in homöopathischen Dosen Kreativität zuführt. Gefilterte Kreativität, die im Falle von Lisa Gerrard auch durch das Erschaffen von pompösen Soundtracks für Hollywood hindurch gegangen ist. Alle Naivität scheint verloren und in Geschäftstüchtigkeit überführt. Sie geben Inhalte für wichtige Porträts in den Medien. Sie sind auf Promotiontournee und preisen etwas an, was eher einem cleveren Produkt als einem Teil des Selbst gleicht. Sie arbeiten an einer Geschmacksblase, an einem Wahrnehmungskokon, der sich selbst verstärkt und zum immergleichen Ziel führt: dem Erwerb eines Albums. Dowloaden, wenn's sein muss. Stichwort: "Confirmation Bias". 

 

Sie versuchen, von der Popularität anderer zu profitieren (Crossmarketing) und sich neue Zielgruppen zu erschließen. Sie versuchen, sich auf sich verändernde Gewohnheiten ihrer Anhänger einzustellen, sich neu zu positionieren, sich "aufstellen". Sie begegnen einem dadurch plötzlich in ganz anderen Zusammenhängen, die in dem einst in ihnen vermuteten Geheimnis nichts zu tun haben. Das alles bewirkt einen Prozess der Desillusionierung in mir. Mag ja sein, dass sich nur ein solches Verhalten in den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen bemerkbar macht. Doch es scheint auch etwas verloren zu haben. Etwas, was ich das Mysterium der Popmusik nennen würde und mit dem die Kenner und Könner immer schon lässig umgegangen sind. Doch auf der unteren Ebene, dort, wo es ankam, hat es unter Umständen sogar Pfade zwischen Leben und Tod eröffnet, hat es in Richtungen getrieben, hatte Wirkungen, die weit über das pure Unterhaltungsbusiness hinaus gingen. 

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