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Sexismusrock

Der Alltagssexismus in der Rockmusik. Es kommt mir so vor, als seien die Frauen spätestens in der zweiten Phase der Rock- und Popmusik (ab ca. 1980) bewusst und unbewusst benachteiligt gewesen, als seien sie zu den Sensiblen und – schlimm! - weichen Waschlappen mit stets anmachigem und sexy Aussehen eingeordnet worden. Daneben waren ein paar harte Metal-Damen zugelassen - als Ausnahme! Instrumentalistinnen gab es sowieso kaum. Ich erinnere mich auch an meinen beruflichen Alltag, wenn ich etwa auf Joni Mitchell Bezug nahm und mich dafür begrinsen lassen musste. Ich wusste damals nicht, was das bedeuten sollte. Schon früh hatte ich etwa Jonis Live-Album „Miles of Aisles“ bewundert und Jonis Werdegang später immer weiter verfolgt. Auch Rickie Lee Jones, Marianne Faithfull, Figuren wie Suzanne Vega, Kate Bush oder Tori Amos, aber auch unbekannte Künstlerinnen wie Tzudi Tzuke, Stina Nordenstam, Anja Garbarek und viele andere Rockfrauen nahm ich als wichtige weitere Einflüsse mit, wie selbstverständlich. Ich dachte an und empfand nur die Musik und sonst nichts. Ich ordnete weibliches Schaffen nicht wie automatisch dem Genre "Liedermacherinnen" oder "Singer/Songwriter" zu, ich war dafür viel zu offen.  

Irgendwann fiel mir auf, dass wichtige Rocksänger gerne hinter sich einen Papagaienchor versammelten, ausschließlich mit Frauen besetzt. Die wiederholten dann gewisse Gesangsphrasen und veredelten sie auf diese Weise. Ich hielt dies für eine Art Mimikry: ich stellte das fest und kritisierte es (zu) matt. Man munkelte zudem damals, dass gewisse Damen aus dem Hintergrund den Herren im Vordergrund gefügig seien. Auch nahm ich aus den Augenwinkeln solche Songs wie „Under my thumb“ (Rolling Stones) wahr und nahm es als Ausweis dafür, dass ich selbst zu weich und sensibel an das Thema heran ging.

Die alles beherrschende Schallplattenindustrie?  Vom Techniker über den A&R-Typen bis hin zum Plattenboss war sie männlich und machte doofe Witze über singende blonde Frauen. Konsequent. Es war einfach so in der Popindustrie, wie so manches in der Popmusik. Wie das wohl zuging? Ob es da auch gewisse #metoo-Vorgänge gab?

Unter freiheitsliebenden "open minded"-Leuten, so schien es mir klar zu sein, würden Frauen selbstverständlich ihr Teil zum allgemeinen Schaffen und Schöpfen beitragen: Geschlecht war da kein Kriterium. Das stand für mich völlig außer Frage. Da gab es kein Privileg der nett aussehenden und genau so singenden Frauen. Doch irgendwann registrierte ich, dass ich in meinem Berufsalltag als Popkritiker den Frauenversteher gab und fast nur ich mit CD-Rezensionen von Popkünstlerinnen und Bands mit Sängerinnen beauftragt wurde. Es war wohl mein Fach. Frauen wurden zwar ernst genommen, aber halt nicht richtig. Ich war da in eine Rolle gerutscht, ohne es zu merken. Mein Problem war, dass so etwas wie ein derartiger Sexismus in meiner Weltsicht nicht vorkam. Dem entsprechend brauchte ich lange, um so etwas zu kapieren, wenn Kollegen mit leuchtenden Augen von den Haaren oder allgemein, dem Aussehen gewisser Künstlerinnen schwärmten. Wer die Macht und die Möglichkeiten dazu hatte, schrieb auch für ein Zeitungspublikum im geschilderten Sinne darüber.