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Fresszwang

Wenn ich mich an meine Zeit als Musikkritiker erinnere, so geht mir immer noch im Kopf herum, dass die Konzertbesucher oft genug wegen des Fressens und Saufens gekommen zu sein schienen. Was steckt da dahinter, dass bei manchem Konzert im Vorraum, in dem meist Merchandising und Fastfood verkauft wurde, mehr Besucher standen als im Hauptraum, in dem die Musik spielte? Der gut gelaunte Schwenk mit dem Bierglas und das feist spassige  Grinsen dazu schien oft interessanter zu sein, als das eigentliche Ereignis des Abends. Das soziale Ereignis, ich weiß. Klar ist da das Erstaunen, hin zu jetzigen Zeiten, in denen selbst dies nicht mehr möglich wäre und aus den bekannten Gründen auch keine Konzerte stattfinden, inzwischen eingeübt: Eines Tages wird wohl der Mangelzustand, das grundgesetzwidrige Verbieten und Verordnen „normal“ sein, die Leute werden es akzeptiert haben, so, wie sie nahezu alles zu akzeptieren und in sich hinein zu fressen scheinen. Doch mir bleibt das Erstaunen darüber, dass zum geselligen Konsumieren von kulturellen „Events“ das Fressen und Saufen und sich lautstark unterhalten das bestimmende Element des Daseins sein muss. Immerhin ist das relativ teuer. Es riss mich, dem es selbstverständlich in erster Linie und zum tausendsten Male um die Musik ging, aus allen Selbstverständlichkeiten. Ich nahm erstaunt zur Kenntnis, wunderte mich aber nicht darüber, sondern buchte das in meinem Toleranzbegriff in scheinbarer Großzügigkeit ab. Der Mensch braucht sozialen Umgang..... "Alles gut".