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Er stand an meiner Seite (1)

Ich lasse mich durch meine CD-Sammlung treiben und bleibe an einem hängen, der inzwischen verstummt zu sein scheint. Wir wissen nichts mehr über ihn, nachdem er bis tief hinein in die 2000er Jahre eine Art Kult, Säulenheiliger und Unberührbarer gewesen war, der sich zumindest in Europa beliebig von der veröffentlichten Meinung feiern lassen konnte: Tom Waits. Es wird wohl eines Tages seine Todesmeldung samt den damit verbundenen lobhudelnden Nachrufen kommen. 

Welch seltsame Wendungen aber seine musikalische Persönlichkeit genommen hat! Ich war darin stets einer der aufmerksamen Begleiter; Er stellte mir Rätsel. Er erschuf sich wohl als eine Art Kunstfigur, so recht durchsichtig war das für mich nie. Genau das schien das Faszinierende zu sein. In den Zeitgeist passte er eine Weile, - wenigstens hierzulande. Dabei schien er sich zunehmend in eine Art Kunstwelt der Hochkultur abzusetzen. Dass seine Ehefrau zunehmend einen großen Anteil an all seinen künstlerischen Umtrieben hatte, - gewiss. Aber was bedeutet das? Robert Wilson, dessen Oper „Einstein on the Beach“ ich einst erlebt hatte, scheint auch einen großen Einfluss auf ihn gehabt zu haben. Diese surrealen Welten, diese farbigen Opulenzen, sie wurden spät zwar diskreditiert und schienen für bestimmte Kritiker ein Abdriften ins allzu Künstlerische zu signalisieren. In mir schienen sie aber immer wieder auf und ich war nicht sehr überrascht, als Waits sich zum Projekt „The Black Rider“ (1993) nach Motiven von Carl Maria von Webers „Freischütz“ mit Wilson einließ. Schon 1982 hatte er die melancholische Träumermusik zum Film „One from the Heart“ geschaffen, wozu ich extra ins Kino gegangen war und mir die Vinylscheibe angeschafft hatte. Heute scheinen das Episoden aus meinem Leben, die ich immer noch nicht ausgedeutet habe. Fest steht, dass sie mich stark beeinflusst haben. Die Anfänge, „Closing Time“ etc. ….ich habe sie mir später zu erschließen versucht, ein paar Songs waren auch zuvor schon zu mir herüber geweht. Auch durch seine Kurzzeitpartnerschaft mit Rickie Lee Jones hatte sich mir das einigermaßen erschlossen, war er doch zu jener Zeit noch ein einigermaßen konventioneller Songschreiber. Später wehte als eine Art seltsam funkelnder Edelstein der Song „A Tinker and a Tailor“ an mir vorbei. Wie schön war das in die Welt geworfen!