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Neil Hannon, The Divine Comedy und die Kunstanstrengung

Ich erinnere mich gerne an das erste Konzert der Band The Divine Comedy, das ich damals im Vorprogramm von Tori Amos erlebte. Muss tief in den neunziger Jahren gewesen sein. Mir imponierte sofort der Humor, der ungewöhnliche Instrumenteneinsatz und vieles andere mehr an dieser Band, die mich stark beeindruckte, obwohl ich ja eigentlich über das eher humorlose Konzert der breitbeinig sich präsentierenden und über eine Vergewaltigung lamentierende Tori Amos an ihrem Großflügel zu berichten hatte. Die lässig dahin geworfenen Miniaturen von Divine Comedy kamen einem eher als ein Gegenentwurf dazu vor. Sehr bedauert habe ich es dann, als ich zur Kenntnis nehmen musste, dass The Divine Comedy sich als Band aufgelöst habe. Ihr Spiritus Rector, der Sohn des Bischofs von Clogher, Neil Hannon, hatte sich nicht aufgelöst, sondern in der Folge etliche Soloalben aufgenommen, die sich freilich aus anfänglicher Schrulligkeit und subversiver Energie immer mehr in Richtung schwerer Kost und Realisierung eines „Kunstgenies“ zu entwickeln scheinen. Großzügiger Umgang mit klassischen Mitteln, mit orchestralen Klangkörpern und akademisch geschultem Personal schienen mir diese Phase einer Rückkehr zu Inhalten des alten Bildungsbürgertums zu kennzeichnen. Ob er sich damals von der humoresken Lockerheit der Startphase gelöst hat, um sich immer mehr in eine Unkenntlichkeit und Mimikry zu entwickeln, die hinter all der Ironie nicht so leicht nachvollziehbar war? Oder ob er all das, was mit seiner Rolle verbunden war, ernst genommen hat? Wir wissen es nicht. Ob er tatsächlich vermitteln wollte, dass er das große schöpferische Genie sei, das souverän zwischen den klassisch geprägten Klangwelten hin und her pendelte? Mit neutönerischen Ambitionen hatte er es zunächst jedenfalls weniger, eher mit neoromantischen Einfällen und Posen. Seine Arrangements schienen manchmal seltsam kunstbeflissen und aufgeblasen. Doch als ich ihn dann einmal solo und „unplugged“ erlebt habe, trugen seine Songs auch das Spärliche und Geklampfte: kein Wunder, ich hatte immer ein sehr ausgefeiltes Songwriting und die kreativen Einfälle an ihm bewundert. In letzter Zeit (nun ja, das sind auch schon etliche Jahre...!) nun staunte ich nicht schlecht, als er die Band The Divine Comedy wieder auferstehen ließ, freilich in radikal veränderter Besetzung. Wenn ich nun seine neuesten Ergüsse mir anhöre, so habe ich den Eindruck, dass er das schwere klassische Element seiner Musik mit dem Pop neu verheiraten will, ohne die alten Vaudeville-Einflüsse zu vernachlässigen. Mir kommt es auch so vor, als habe er, Neil Hannon, selbst inzwischen ein Standing als Kulturdenkmal erworben, von dem aus sich bequem Kunst auch in Form geklampfter Kleinkunstlieder produzieren ließe. Es kommt mir so vor: es kann aber auch alles ganz anders sein. Den Aufbau und die Konstruktion seiner mit vielen kreativen Einfällen verzierten Songs bewundere ich immer noch sehr. Doch könnte er nach meinem Geschmack auch mal wieder etwas kleineres humorvolles produzieren, etwas, das mit seiner schwarzhumorigen englischen Art der Ironie getränkt wäre. Scherz, Satire und Ironie sind halt nicht sehr verbreitet in der Popmusik.