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Lambchop again

Ich habe die Neue von Lambchop bestellt. Hatte sie zuvor im Streaming gehört und sie gefiel mir so gut, dass ich sie permanent im Wohnzimmer hören wollte. Und ich habe mich an die Zeit erinnert, als diese Band viel für mich bedeutet hatte. Ich nehme jetzt hier eine Besprechung eines Konzerts auf, die auch in meinem kommenden Buch vorkommt und die mein Dasein damals sehr prägte:

Wieso soll das Lammkotelett eine Frau sein? Eine Frage, die uns bewegt, seit Lambchop ihre neue CD "Is a Woman" auf die Welt gebracht haben. Allein die Antwort, sie ist und bleibt das Geheimnis von Kurt Wagner, des Sonderlings aus Nashville, der als Sänger und Songschreiber diese wunderbare Platte so maßgeblich geprägt hat. Es wohnt noch so manches andere Geheimnis in Lambchop, jenem Kreis von Musikern, die einem normalen Tagesberuf nachgehen und abends ihren musikalischen Ideen einen weiten Auslauf gewähren. 17 waren sie, als sie mit der CD "Nixon" einer seltsamen Figur der jüngeren US-Geschichte nachspürten und dabei eine verschrobene Fusion aus Country und Soul auf die Beine stellten. 17 Musiker waren sie auch, als sie "Is a woman" jenen völlig intim wirkenden Rahmen gaben, der lauter schräge und auseinanderstrebende Elemente so überzeugend zu einer Einheit fasst. Und jetzt versammeln sie sich zu acht um jenen bebrillten Kauz in der Bühnenmitte, der auf einem Stuhl sitzend seine eigentümlichen Verse krächzt. Würden sie es schaffen, die in sublimen Klangfarben schillernde Atmosphäre der Platte auf die Bühne zu übersetzen? Nicht nur diese Frage, sondern auch die Medienresonanz auf die CD mögen bewirkt haben, dass die Manufaktur in Schorndorf an diesem Abend bis auf den letzten Platz gefüllt ist.

Nun "Is a woman":

"Down the street you go, rumors of a one man show, how silly we can be about the future...": jene Stimme, sogleich durchsticht sie den Song "Daily Growl" so mit ihren scharfen Betonungen und einer Sehnsucht, dass er geradezu zu einem Menetekel wird. Für alltäglich schlummernde Abgründe? Für fremde Zusammenhänge, die uns die Orientierung nehmen? Es bleibt im Geheimnis. Dieser Gesang, der ja in seiner whiskeygeschwängerten Knarrzigkeit viel von einem dramatischen Erzählen hat, er gleitet nun dahin auf einem instrumentalen Film, in dem das Piano mit seinen weichen Harmonien die Führungsrolle spielt. Vom Barjazz mag da manches kommen, von einer Kammermusik des wilden Westens und vom lyrischen Plüsch längst vergangener Radiotage. Das Schlagzeug streichelt sachte die Felle und der Bass setzt leise Akzente, künstliche Aufgeregtheiten sind verpönt.

Darüber schillern die Gitarren in allerlei Farben, schrammeln in braver Gleichmut die Akkorde, schwelgen in gläsernem Vibrato, verlieren sich in digitalen Räumen und kreischen auch mal scharf. Hinter alledem tut sich ein unauffälliger Kosmos der elektronischen Geräusche auf, ein Gurgeln, ein Schleifen, ein Quietschen und Quetschen, das dem Ganzen eine unwirkliche Atmosphäre gibt und die scheinbar disziplinierte Harmonie fortwährend in Frage stellt. Die Arrangements sind genau, selbst das seltsame Saxofon-Riff von "The new cobweb summer" und die spitz gefistelten "Ah ah"-Chöre fehlen nicht. Eine feine Doppelbödigkeit durchzieht diese Musik, deren Entwurf von der Platte tatsächlich kongenial auf die Bühne übersetzt ist, ohne in eine feierlich verkrampfte Kunstanstrengung zu verfallen. Im Gegenteil: zwischen den Songs geht es lustig zu, Pianist Tony Crow erzählt Witze, während der freundliche Biertrinker Kurt Wagner eine Zigarette nach der anderen qualmt. Am Ende sind die zwei Stunden wie ein Traum vorübergezogen, unwiderstehlich, intensiv, anrührend. 

Und heute? Höre ich das neue Album „Flotus“ und bin etwas befremdet. Das Spiel mit den „Autotune“-Effekten, die unauffällig verschwimmende Begleitung: nun ja, schon mal besser gehört. Teilweise von Lambchop selbst. Wirkt auf mich etwas aufgesetzt. Wieso sollen sich solche Künstler nicht weiter entwickeln, mal etwas anderes wagen? Besonders der Wagner? Es scheint mir aber, als hätten sie sich in eine Richtung entwickelt, die von mir weg führt. Ich verstehe ja all das Experimentieren, das Machen und Tun, das Ringen um "Neues". Aber hätte es nicht in eine andere Richtung führen können? Eingedenk dessen, was gerade diese Band so gut kann? Das hier kommt mir ein bisschen formalistisch vor. Das tausendste Album im selben Stil hätte ich aber auch nicht gut gefunden. Was also? Ich wollte Besonderes erwarten. Eine Möglichkeit hätte sich mir eröffnen können.  Ja klar, ich habe hier an dieser Stelle „...Is a woman“ schon mal besprochen. Doch inzwischen, so glaube ich, hat sich meine Perspektive abermals geändert. Dazu kommt jetzt „Flotus“. Klar, das interessiert, im Gegensatz zu früher, niemanden. Ich kann bisher nicht viel mit diesem Album anfangen. Aber, wer weiß, vielleicht in 5 Jahren? Das Versprechen ist gegeben.....