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Da und nicht da

Wie ich damals bei nahezu jedem Konzert auf bestimmte Gestalten traf! Etwa auf jenen im ersten Moment sehr „normalen“ und angepassten Typen, der auf einschlägigen Konzerten aus einem dunklen Anzug heraus sich regelmäßig mit Bier voll laufen ließ, aber gleichzeitig messerscharfe Analysen liefern konnte. Er erläuterte mir damals, ich erinnere mich noch gut an diese Szene, einigermaßen „nebenher“ zwischen zwei Schlücken und Stücken das Konzept der EBM (Electric Body Music), die ich zuvor ziemlich abstoßend gefunden hatte und die ich auf diesem Wege ein bisschen besser verstehen gelernt hatte. Aber, was heißt hier verstehen? Dies „Attribut "Body“ in ihrer schubladenhaften Ablage schien durchaus auf gewisse Züge hinzuweißen: auf ein Vergessen und Selbstvergessen im Maschinenrhythmus, ein Zeigen ins Aufgehen und Eins sein. Es war mir fremd gewesen. Ich ließ mich aber jetzt darauf ein und war dieser die Augen rollenden Schnapsdrossel dankbar. Sie hatte mir einen neuen und anderen Horizont eröffnet. Später dann fiel mir auf, dass diese Figur nicht mehr zu den Konzerten kam, nicht mehr da war, auch bei den einschlägigsten der einschlägigen Konzerte. Seltsam, wir hatten so etwas wie eine Verbindung entwickelt. Eine Verbindung, die ich damals glaubte mit wohlwollender Gleichgültigkeit wahrnehmen zu können. Später fehlten mir solche Begegnungen.....

 

Nun, als der Mann nicht mehr da war und ich annehmen musste, dass dies möglicherweise mit seinem extremen Bierkonsum zusammen hing, fehlte mir diese Kurzeinweisung, diese prägnanten Hinweise aus lallendem Mund, dieses dionysische Gebabbel, das ganz im Gegensatz zu der Performance zu sein schien, die ich selbst im Anschluss an solche Konzerte abzuliefern hatte. Dieses einsame und trockene Schreiben, das Abwägen und sich-selbst-Abringen vor leerem Blatt Papier/Computerbildschirm: es war einigermaßen hilflos im Vergleich zu solch teilnehmendem Dabei sein, zu einem Sich fallen lassen und gleichzeitig wahrnehmen, das in ihm vorzugehen schien. Zu solch widerständigem Mitgehen (das mir seine "Gefährlichkeiten" aber auch offenbarte) und "Sich-Treiben-lassen". Ich hingegen wollte mich doch nur einlassen auf etwas, wollte es besser verstehen, wollte es fühlen, wollte es halbwegs zutreffend benennen und darum mit meinen Mitteln kämpfen. Ich war für seine ehrlichen Hinweise dankbar, für etwas Menschliches in diesen Rhythmusstürmen, zu denen die Band blökende Befehlstöne zu Marschrhythmen im Kasernenhofton ausstieß. Hm.