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Handwerk, Mittel zum Zweck

Wir hatten damals klassische Musiker oder Musiker der Klassik bewundert, weil diese offenbar handwerklich so gut waren. Konnten alles vom Blatt weg spielen. Erst viel später merkte ich, dass die das unter Umständen zwar sehr akkurat können, - darüber hinaus aber nichts. Endgültig klar wurde mir das, als mich einst ein Musiker und Pianist, der Tschaikowsky und Rachmanninoff auf CD eingespielt hatte (das galt damals noch was!) und als ein absolutes Ass der Musik galt, mich bat, ihm das Improvisieren beizubringen. So etwas war meine Spezialität und so bat ich ihn, mir 3 Töne zu geben, ich wolle mit ihm auf diesen 3 Tönen erst improvisieren und anschließend einen ganzen Song zusammenstellen. Wir brachten das tatsächlich zustande und der Mann war mir allzeit dankbar, denn ich war sogar darauf eingerichtet, mit ihm eine Aufnahme seiner neu gewonnenen Fertigkeit zu machen. Mir aber wurde klar, was mit mir so einher gegangen war: die Musik als dauernder Begleiter, die einem Melodien und Stimmungen einflößte und mich überallhin begleitete….- ihn offenbar nicht. Er war ein typischer reproduzierender Künstler, konnte seine Phantasien nicht umsetzen, was hingegen mein Schwarzbrot war. So konnten wir uns optimal ergänzen. Jeder ließ die Eigenheit des Anderen gelten. Da wurde mir klar: uns und mir war es immer unter anderem um so etwas wie Selbstverwirklichung gegangen, um Ausdruck meiner selbst und von Phantasien. Die Erschaffung von etwas rein aus dem Moment und der Luft heraus war sogar meine Spezialität. Klassische Musiker ging es um möglichst optimale Reproduktion, um Handwerk... und trotz aller Beteuerungen weniger um das Verstehen und „Erfühlen“ einer Musik.