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Rockmythen

Geschrieben im Jahr 2004, den alten Mythos Rockmusik beleuchtend: „So fängt’s an. Ab in die Garage, die Gitarren eingestöpselt und los geht’s: geradeaus, unverfälscht und direkt zieht der Rebell vom Leder. Seine drei Akkorde der Wahrheit und das unergründliche Geheimnis seines mit Emotion aufgeladenen Lärms sind unwiderstehlich. Deshalb wird er von den Agenten der Industrie auch schnell entdeckt. Natürlich sind seine Geniestreiche in einem einzigen atemlosen Schaffensakt aufgenommen und flugs auf frisch gepressten Tonträgern vervielfältigt, so dass jeder daran teilhaben kann. Und schon ist der Rebell ein Star. Ein Superstar. Ein Megastar. So schnell geht das. So erzählt’s das Märchen vom Rockstar.

Voilà, es ist angerichtet: Tumult, Aufruhr, Krawall. Ein neuer Sound: Genialisch und brachialisch, kompromisslos und ehrlich, - wie behauptet wird. Elan Vital. Geschaffen von bösen Buben, die Fernseher aus dem Hotelzimmer werfen und WCs in die Luft sprengen. So muss das sein. Das ist der Mythos des Rock ’n’ Roll, die immer wiederkehrende und fürchterlich ausgeleierte Geschichte vom ehrlichen Rocker. Dieser Rocker muss natürlich nichts können. Sein Publikum braucht auch nichts zu verstehen. Er selbst ist ja durch sich Ausdruck und Selbstinszenierung. So funktionieren Schein, Hype, Übertreibung und Sensation.

 

Doch halt, vielleicht ist das nur die falsche Euphorie von gestern. Vielleicht drängt sich der heutige Popstar zuerst in Castings nach vorne und tritt dann zum ersten Mal vor die Fernsehkamera, um sich gut dressiert, trainiert und motiviert bis zum Gewinner des Wettbewerbs zu qualifizieren. Pop als Leistungssport. Superstars, die Deutschland im Fernsehen sucht und findet. Momentan ist das noch so. Haltbarkeitsdatum: Eine Saison. Figuren, gestanzt nach genormten Vorlagen. Deutschland hat das verdient. Deutschland will schließlich mit Innovationen wieder nach vorne kommen.“