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Fado, Blues, Carminho

Aus den USA kommt der Blues. Wir in Europa haben den Fado. Einst entstiegen den Kneipen und Tavernen Lissabons, in sich tragend Leid und Hoffnungslosigkeit, aber auch tiefes Gefühl, das zu einer explosiven Ekstase drängt, dann aber doch wieder zurück fällt in dumpfes Brüten, - manchmal. Fado ist die Musik derer, die gerade nicht da sind, wo sie gerne wären. Die Musik der Sehnsucht. Nach einem Menschen. Nach einem Traum. Nach einer anderen Wirklichkeit. Nach der Ferne und nach der Nähe. Fado ist auch die Musik der unglücklich Liebenden, der Enttäuschten und Verlorenen. Die Musik derer, die die Wehmut nicht wie eine Zierde vor sich tragen, sondern sie verbergen und sie hinunterschlucken, weil sie wissen, dass etwas genau so ist, wie es ist. Und denen darüber die Traurigkeit wie ständig steigendes Hochwasser in die Seele dringt. Die an der Wirklichkeit leiden. Die dem Leiden eine gerade so eben noch zusammenhaltende Form geben, ehe es umkippt und in tausend Einzelteile der Verzweiflung zerspringt. Als ein Fatum, ein Schicksal. Der Dichter Fernando Pessoa war zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts davon beseelt, spielte mit Identitäten, erfand neue Namen für sich, spürte dem Menschen nach, war ein Magier jener Worte, die auch heute noch ihren Nachhall finden. Schön, dass er auch heute noch in Lissabon verehrt wird. Fado wurde zur Folklore, drehte sich in den Touristenkneipen um sich selbst, wurde eine Attraktion Lissabons. Um die Jahrhundertwende kamen die Sängerinnen Misia und Mariza, die den Fado weltbekannt machten.

Doch jetzt ist die junge Sängerin Carminho da, die manche schon als eine Art Erneuerin des Fado betrachten. Das war mit dem Blues und Londons junger Musikergarde damals dasselbe. Die Stichworte waren dieselben. Der Fado hat das nicht nötig. Auch wenn einem der Überschwang der Gefühle zunächst fremd erscheinen mag, sollte man sich hinein fallen lassen in ein Klangerlebnis. Carminho gibt einem auf ihrem Album „Maria“ meisterhaft diese Gelegenheit. Sie holt den Hörer ab und führt ihn in ein Erstaunen. Sie nimmt sich respektvoll zurück und ist doch auf „Maria“ ganz im Fado. Sie spinnt uns ein, ohne uns zu überrennen. Jawohl, sie führt die elektrische Gitarre ein, lässt sie schon vom Intro an im Titel „Pop Fado“ sogar zu einem bestimmenden Instrument werden. Doch das taten Mariza und Misia auch schon vor ihr. Natürlich ist der Fado offen, ist eine Volksmusik, die alles in sich aufsaugt, ohne jemals die eigene Identität zu verraten. Carminho schrieb einen Großteil der Songs selbst und produzierte das studiomusikalische Ergebnis.

Sie konnte dabei auf die Unterstützung hochkarätiger Musiker bauen, darunter Bernardo Couto auf der Guitarra portuguesa bei den Songs „O menino e a Cidade“, „A Mulher Vento“ und „Se Vieres“. Der Gitarrist José Manuel eto arbeitete auf „O Comeco“ und „Quero Um Cavalo Da varias Cores“ mit ihr zusammen. Luis Guerreiro spielt auf „Sete Saias“, Poeta“ und „Pop Fado“. Flavio Cesar Cardoso ist auf der Viola de Fado zu hören und José Marino de Freitas am akustischen Bass. Joao Paulo Esteves da Silva begeleitet sie am Piano und Cunha Monteiro spielt Pedal Steel- und E-Gitarre. Carminho selbst spielt auf „Estrela“ E-Gitarre. Doch das alles ist trotz immensem Können Mittel zum Zweck. Mittel zum Ausdruck. Dass das deutlich wird, ist das Schöne daran. Dieser Fado funkelt in vielen Farben, ohne dass er eine Eitelkeit widerspiegeln würde.