Im Flow der Worte

Ob es hierzulande eine arrogante und gewöhnlich gut bestallte Blase von eigentlich recht braven Kritikern gibt, die dem gemeinen Volk der Popmusik ihren Geschmack aufdrücken wollen? Ob sie in der Not auch die von ihr in jeder Hinsicht weit entfernte Szene der US-Rapper und Hiphopper verherrlicht? So kam mir neulich wieder eine Schreibe unter, in der eine Hip-Hop-Formation von sich behauptete, die „Beatles dieser Generation“ zu sein. Nun ja, die Protzerei und das etwas übersteigerte Selbstbewusstsein ist in dieser "Szene" ja obligatorisch. Langweilig. Solche Übertreibung macht sich in diesen Kreisen ja nicht nur an Maschinenpistolen, exotischem Drogeneinsatz, am besten Crack, den kurvigsten willfährigsten „Bitches“ und den fettesten Goldkettchen am Hals fest. Trotzdem verstieg sich jener Kritiker dazu, deren Produktion „atemberaubend gut“ zu finden. Nun ist ja wohl kaum die persönliche Sympathie für Personen oder damit verbundene Haltungen für die Qualität ihrer Produkte fest zu machen. Im Gegenteil. Die miesesten Leute machen oft die beste Musik. Der Knackpunkt ist ja wohl eher, ob der jeweilige Kritiker irgendeinen Bezug zur Alltags- und Lebenswelt dieser Rapper oder Hiphopper hat, von der aus er ihre Musik abseits völlig willkürlichen Werturteilen beurteilen könnte. Ob diese Musik seinen Codes und Formen entspricht? Ob er sie kennt? Ob er sich bemüht hat, sich ihren Produktionsbedingungen anzunähern, sie besser zu verstehen? Ob er mit einer Welt, in der Gewalt und Geld auf ziemlich direkt brutale Weise regiert, etwas anfangen kann? Ob in diesem Falle die gesprochene Textlastigkeit (Wow, der Flow!) ihm in seiner mittelmäßigen Mittelstandswelt nicht doch zu fremd ist? Ob er da nicht eine atemberaubende Qualität behauptet, die vor allem darauf beruht, dass deren Bezüglichkeiten hierzulande in der abgefederten Welt so gut wie niemand nachvollziehen kann? Ob sie insofern nur eine von „Kritikern“ gerne behauptete Exklusivität bedeuten, die sich (in diesem Falle) in der realen Welt auf extremer Brutalität gründen? Ob er gerne etwas als „originär“ bezeichnet, was er und die Masse der hiesigen „Konsumenten“ nicht kennt? Ob es um eine pseudointellektuelle Verkleisterung geht, deren „Avantgarde“ als „Stil“ behauptet wird? Ob das „Außergewöhnliche“ in unseren Ohren auch so außergewöhnlich und souverän auf die Ohren der „Szene“ vor Ort wirkt? Oder ob der gesellschaftliche Kontext einen gewissen Einfluss auf die Rezeption hat, ob es darauf ankommt, wer was wo hört? Ob der hiesige Kritiker das in sein „Urteil“ mit einbeziehen sollte/könnte? Ob er sogar seine Rolle als Kritiker reflektieren und sich gelegentlich solchen Fragen stellen sollte/könnte? 

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