Dead by dead

Jetzt ist Al Jarreau gestorben. Seltsam, von mir nur "gefühlt" wird das kaum zur Kenntnis genommen von den Medien, obwohl er viele Musiker nachhaltig beeinflusst hat und für andere sehr wichtig wurde, unter anderem die, die sich mit dem Singen abgeben und abgegeben haben. Doch mir scheint sich das darin einzureihen, dass die meisten Medien samt ihres Publikums sich an solche Nachrichten „gewöhnt“ zu haben scheinen. Es wird so langsam alltäglich, dass die Alten sterben und damit keiner Nachricht mehr wert sind. Das geht Ratz Fatz und nicht mal der Reihe nach. Er war offenbar nie heilig gesprochen von den Leuten, die sich „hip“ wähnen. Auch dies könnte ein Ausweis ihrer „speziellen“ Kompetenz und Zielrichtung sein. Fakt ist: Jetzt werden immer mehr dieser Figuren sterben, die in Vergangenheit die popmusikalischen Zeitläufte prägten. Leute, die es zu einer gewissen Prominenz geschafft haben, wie David Bowie, aber auch Vollblutmusiker wie Al Jarreau, die in der öffentlichen Wahrnehmung und Prominenz immer ein wenig zurück geblieben sind. Im Juni 2011 schrieb ich über seinen Auftritt auf dem Stuttgarter Killesberg: „Zu den prominenten Begleitern und ganz großen Namen zählt diesmal eigentlich nur der Keyboarder und Flötist Larry Williams. Ansonsten fühlt sich Jarreau im Kreise seiner Band der eher unbekannten Namen oder seiner „Familie“, wie er oft sagt, sichtlich wohl. Das breite Arsenal seiner stimmlichen Möglichkeiten, dieses Gurren, Schnalzen, Flüstern, Lachen und Seufzen etwa, führt er nicht mehr so offensiv wie früher vor. Dafür aber macht er aus jedem Song ein kleines Drama, in das er mit tausend Andeutungen und Grimassen, mit plötzlichen Einfällen, Scherzen und Kaspereien einführt, um unmerklich in den Song zu gleiten, ihn scheinbar völlig frei stimmlich zu gestalten, ihm wie etwa bei „Look to the Rainbow“ eine Bedeutung zu geben, die manchmal sogar ins Übersinnliche hinausweist. Musik scheint ihm eine Art natürliches Ausdrucksmittel geworden zu sein, die Songs eine Art Anlass für musikalische Fantasien“. Im Juli 2008 schrieb ich über Al Jarreaus Auftritt bei den „Jazz Open“ in Stuttgart: „Ein Wunder ist geschehen. Mit seinen merkwürdigen Handbewegungen den Gesang geradezu herbeidozierend geht Al Jarreau der kleinen Bühne entlang, schaut bei manchem seiner sechsköpfigen Band vorbei, singt ihm über die Schulter und auch mal mit dem Mikro zusammen lächelnd ins Ohr: der Musiker muss dann lächeln, obwohl's ihm gar nicht danach zumute sein mag. Aber sie sind ja Spitzenmusiker, sie können das.“ Mir war immer der Blick auf die Bandmusiker wichtig, mochte der eigentlich „Star“ noch so groß und bedeutend sein. Im Jahr 2005 schrieb ich im Juli über seinen Auftritt auf der Esslinger Burg: „Wie er da in ganzer Person zu seiner Stimme wird, wie er in ihr sich zu konzentrieren scheint, wie er sich durch sie in Töne verwandelt, wie er gurrt und gackert, raunt und flüstert und schreit und – singt, mal sanft weich, mal nachdrücklich hart und überhaupt, alles dazwischen auch, wie er Klänge aus der Luft holt und sie formt, sich aneignet, wie er sich strömen lässt in seiner Stimme, sich windet, tanzt und grimassiert, da scheint er sich selbst geradezu nach außen zu stülpen, da wird er selbst zu einem Instrument. Ob er uns damit etwas über sich erzählt? Das schon. Nur was? Wieder rattert das Gehirn etwas von Leidenschaft und Seele und Identität und Persönlichkeit. Bloß, was heißt das eigentlich konkret? Könnte es nicht auch sein, dass das in Wirklichkeit täuscht, das alles „nur“ ein Trick ist? Ein Showtrick, eine lebenslang eingeübte Nummer, die dieser Mann mit seinen 65 Jahren halt nun ganz besonders gut beherrscht? Schöner Schein. Tolle Stimme. Es ist das, was es ist, dieses „Stimmwunder“.“ Und darüber hinaus schrieb ich über Jarreau bei derselben Gelegenheit: „Er nimmt diese Songs auseinander, um sie neu in den Moment fließen zu lassen. Nur dieser Moment zählt. Er verlängert und verkürzt sie, scheinbar nach Belieben. Er steigt vollkommen aus dem Arrangement aus, er verlangsamt sie, beschleunigt sie, gibt ihnen oft eine andere emotionale Farbe.“ Ich erinnere mich an weitere Auftritt davor, die ich damals beschrieben habe, die Erinnerungen, sie verblassen schon jetzt zugunsten der Gegenwart:  Wieder einer weg, einer gegangen. Es werden allmählich viele.  

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