Gänsehaut

Natürlich muss da auch was rüber kommen zu mir. Es muss mir die Gänsehaut machen, es muss mich kratzen. Dann mag ich es und ich bekenne mich dazu. Manchmal sogar zu euphorisch. Es genügt mir nicht, wenn etwas den Zeitgeist oder ein Seelchen möglichst optimal abbildet und sonstwie formal interessant erscheint. Das Konzept? Die Technik? Darf nur Mittel zum Zweck sein. Kann mich ein Stück weit provozieren, - aber nur dieses Stück weit. Da ist so viel Musik durch mich hindurch gegangen, an der ich Gehörtes messen kann, so viel hat mir im Laufe der Zeit auch nicht genügt, dass dies hier und jetzt in mir unbedingt etwas auslösen muss. Dies kann auch nach vielen vielen Jahren immer noch passieren, in unterschiedlicher Intensität und jederzeit. Ich wundere mich selbst darüber. Jemand muss musikalisch das treffen, was mir gefällt, was mich anspitzt. Was mich neugierig macht. Wie kriegt die Person das hin? Es sollte etwas sein, was das Leben und das Wachsein darin feiert. Was etwas ausdrückt. Es sollte diese Energie versprühen. Überhaupt, es muss unbedingt etwas ausgehen davon, etwas Dringliches, etwas Treibendes, etwas Kantiges. Sinn und Spass muss es für mich machen. Mir gefällt das Spiel mit den Möglichkeiten, die jemand für sich erschlossen hat. Die Ironien, laut und leise. Der Humor. Die kleinen Anspielungen, die Momente, die zu einem herüber krabbeln. In denen alles zusammengefasst ist, was einen treffen kann. Mitten hinein in ein Empfinden, das durch so vieles geformt worden ist. Ja klar, da sind die Attitüden, das Imponiergehabe und die Übertreibungen, die Sprüche, Anmaßungen und Abgehobenheiten, die narzisstischen Inszenierungen von Stars, Super- oder Megastars, die üblichen Mechanismen: Schnarch!. Ich will auch nicht die aufwendigen Deutungen um die Ecke, die meist dem Kritisierenden selbst zu mehr Identität und der Aura des geschmäcklerisch das Abseitige verstehenden Intellektuellen oder des sanft gescheiterten Dichters verhelfen soll. Da sind so viele Interpretationen und Projektionen, auch und gerade von Klugscheisern. Ich brauche das nicht. Das kann mich nur noch einigermaßen mental ansprechen, ich nehme es mit, registriere, sehe es, lese es, ziehe Augenbrauen hoch und distanziere mich manchmal, wenn ich glaube, es verstanden zu haben. Versuchsweise. Ich versuche, andere Perspektiven herzustellen und nicht nur durch meine eigene Brille zu sehen. Dann aber komme ich doch wieder zurück auf dieses Bewegtsein, dieses "Movens". Ich und mein Ich wollen möglichst als ganzer Mensch aus Fleisch und Blut bewegt werden. Dieser Mensch will das tatsächliche Wunder erleben, das möglich ist. Will auch aus einer Abgeklärtheit heraus begeistert werden.Will in sich etwas spüren. Will mehr als einverstanden sein. Will keine Kurzfristigkeiten, sondern das Anhaltende, das auch in der tausendsten Wiederholung als Impuls auf ihn niederkommen kann.  

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