Leo und Leo

Leo Cohen ist gestorben. Sie werden jetzt immer weniger, die Alten. Sie sterben aus. Wir hatten einst seine Texte studiert, hatten gewusst, wie sehr er sie sich abringt. Er war Poet und meinte es durchaus ernst damit. Später haben wir über die uns untergekommenen Epigonen etwas grinsen müssen, weil das genau ihren Texten überhaupt nicht anzumerken war, das einsame Ringen, das Feilen, das „in-eine-Form-bringen“. Da mochten sie noch so vom Tonfall her versuchen, das große Vorbild zu kopieren. Es hatte etwas Lächerliches. Der kleine Mann mit Hut trat in letzter Zeit noch oft auf, weil er wohl, wie es hieß, von seiner Managerin betrogen worden war und weil er Geldprobleme hatte. Hm, ich habe auch Geldprobleme. Deswegen habe ich längst nicht das Format von Leonard. Von Singen hatte er nach eigener Einschätzung keine Ahnung und bei „Deutschland sucht den Superstar“ würde er heutzutage unter dem Gegröhle der Jury von vornherein glatt ausscheiden. Und doch hat er, wie auch Bob Dylan, viele Menschen angesprochen mit seiner Musik, mit seiner Stimme. Es muss wohl etwas Besonderes um ihn gewesen sein. Charisma? Ich vermute, dass er auch das nicht nötig gehabt hat. Sein „Content“ hat wohl gestimmt und ihm viele Bewunderer eingebracht. Ich fand vieles von ihm schlicht sentimental, das gebe ich zu. Freilich schien mir sein Rang völlig unbestritten. Und gelesen habe ich ihn auch ausführlich. Er hat etwas bedeutet, er hat vielen etwas bedeutet. Er hatte Sinn, er formte Wörter zu etwas Sinnvollem dergestalt, dass sich viele Personen dahinter versammeln konnten. Er war eine sehr interessante Figur. Er hatte Haltung und stand für etwas. Das alles mag einem wie Lobhudelei vorkommen, mag in seinem Falle aber auch dem Zeitgeist geschuldet sein. Man wuchs und wurde größer – in seiner Zeit. Überhaupt: man hatte dafür Zeit. Ob Leo jemals einen kurzfristigen Hit in den Charts hatte? Ob er sich mit exzentrischen Spinnereien interessant gemacht hat? Na, dass er im Zen-Kloster war, kann er auch sehr ernst gemeint haben. Es ist ihm zuzutrauen. Ob er versucht hat, mit übertreibenden Selbstgefälligkeiten zu beeindrucken? Hatte er das jemals nötig? Er hatte seinen Stil, er ging sich selbst und gewissen Frauen nach. Er schrieb darüber die besten Lieder, die er zustande brachte. Jetzt ist er weg.

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