Was Popmusikkritik manchmal ist

Leider ist es unter Journalisten üblich, Meinungen vollkommen überzogen und maßlos zu äußern. „Pointiert“ und „überspitzt“ zu formulieren, liege in der Natur der journalistischen Sache, heißt es. Differenzierte Betrachtung scheint gerade jetzt out zu sein. Besonders grell stechen hier die Popmusikjournalisten hervor, da ihr Gebiet ja ohnehin vollkommen subjektiver Betrachtung geöffnet scheint, ja, sie sogar zu brauchen scheint, da das Marktschreierische zum Wesen des Pop gehört, so die Meinung. „Fan“ zu sein ist dabei wie im Sport nicht nur erlaubt, sondern sogar gefordert. Hasser sein, gilt als angesagt. Man habe dadurch wenigstens eine Meinung, eine Linie, sei wiedererkennbar und unverwechselbar. Verwandt sei die populäre Musik diesen Schlags auch mit allen Phänomenen der Werbung und des Marketing. Sich möglichst wirksam anbieten, sich verkaufen, so heißt die Devise. Auch dieser Tage erscheinen wieder Publikationen dieser Art, ganze Bücher werden mit solchen wortfeil ausgerichteten Pamphleten gefüllt und dann von prominenten Medienerzeugnissen „präsentiert“. Die „Präsentation“ erscheint oft als eine Art Flankenschutz, als das zusätzliche Pushen eines „Erzeugnisses“ mittels prominenter Personen, - auch eine Strategie, die aus der Werbung kommt und von dort gespeist wird. Verpönt sind Behutsamkeit, Achtsamkeit, Ironie und Zweideutigkeit. Gepriesen ist der pfauenradgleiche Verdammnis, die als „herrlich“, „himmlisch“ oder „göttlich“ beschriebene Anbetung oder der gnadenlose Verriss, die selbstgefällige Übertreibung oder die hemmungslose Verdammung. Vollkommen subjektive Urteile werden gerne absolut gesetzt, mit knitzer Kundigkeit und rabulistischer Recherche so gekonnt aufgefüllt, dass der gemeine Medienkonsument schnell davon beeindruckt ist. Das soll er auch sein, unbeeindruckt davon, dass solche Fakten nicht erlebt, empfunden oder bewertet, sondern lediglich auf Wikipedia oder anderswo im Internet billig recherchiert sind. Gerne wird auch vom Besonderen her verallgemeinert. Ein berechtigt kritisiertes Phänomen reicht: schon ist die ganze Machart, das Muster im Verdacht. Hatte Vincent van Gogh ein Muster, eine Machart? Monet? Liebermann? Toulouse Lettrec? Nicht alle Künstler waren zeitlebens so in Bewegung wie Picasso. Sie hatten dann, bei positiver Betrachtung, ihren Stil gefunden. Bei negativer Betrachtung schwelgten sie gar in Wiederholungen, trieben die Redundanz auf die Spitze. Das geht gar nicht, spricht der gestrenge Richter in Gestalt des Kritikers. Gerne schreiben auch im Establishment bestens bestallte Professoren klugscheiserische Artikel, in denen sie den Ruf ihrer bürgerlichen Stellung zur Gewinnung von Glaubwürdigkeit nutzen. Sind ja Experten. Die werden's schon wissen, so die gängige Meinung, die dahinter aufscheint. Mode auch die groteske Überspitzung, die pseudoliterarische Überhöhung, der zwar niemand folgen kann, die aber gerade deshalb als Ausweis intellektueller Fähigkeit bewundert wird. 

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Kommentare: 4
  • #1

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