Spezialistentum

Ich war nie ein Spezialist und werde nie einer sein. Ich habe stets meinen Schirm aufgespannt, um dann etwas von der Fülle des Ganzen zu empfangen, das Gefundene sodann in einen Zusammenhang zu stellen, es an meinen Erfahrungen zu spiegeln, es für mich und andere zu ordnen oder zuzuordnen. Ich weiß, dass dies ganz und gar gegen den Zeitgeist gerichtet ist. Dieser will Spezialisten, an die er vermeintlichen Sachverstand oder Geschmack delegieren kann. Andere mit ihrer scheinbar ungeheuer ausgeprägten und lange eingeübten Fähigkeit zur Differenzierung sollen für mich entscheiden, sollen für mich zielbewusst wählen, sollen klug sein, überlegen und jederzeit mit dem Ding der Begierde befasst. Als Kritiker in den Medien wählte ich einst die Popmusik, ein populäres Medium, das vor allem die untersten Schichten im Menschen anspricht und auf die Masse der Menschen hin aus- und angelegt ist. Man braucht keine Vorkenntnisse und jeder kann sich damit befassen, kann sich darauf einlassen, denn seine Reize sind oft grell und jederzeit nachvollziehbar. Ja, es ist ausdrücklich sogar dafür geschaffen, dass sich jeder an jedem Ort damit abgeben kann, es spielt mit den primitivsten Impulsen und versucht, sie in Profit zu verwandeln. Mittlerweile gibt es riesige Medienkonzerne, die so etwas wie ein Monopol ausgebildet haben (was zu den bekannten Folgen führen kann). Es gilt der kurzfristige Kick, der schnelle Reiz, das einprägsame Motto oder die Hook, die sich so verfängt, dass eine Kaufentscheidung herbei geführt wird. Mich interessiert die Überschau, der Zusammenhang, in dem Medien- und Gesellschaftsphänomene stehen. Daneben pflege ich natürlich meinen persönlichen Geschmack, den ich aber nie als absolut gültig sehen will. Er ist die Summe meiner Erfahrungen, meiner intensiven Befassung, meiner ernsthaften Auseinandersetzung. 

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