Popular Music

Auch die Macher und „Kreativen“ reagieren auf aktuelle Entwicklungen: Jetzt entwerfen „Popstars“ Modelinien, geben ihre Namen für Parfüms her und eröffnen ganze Ketten eigener Klamottenboutiquen. Es wird dann aus ihren Bemühungen meist ein vergleichsweise anonymes Konstrukt, das im Geiste von Aldous Huxleys „Brave New World“ ein entpersonalisiertes Surrogat dessen ist, was populär ist und sich am besten verkaufen lässt. Globalisierung darf auch so verstanden werden, auch wenn sie einmal etwas ganz anderes bedeutet hat. Gelobt sei, was überall zu vermarkten und zu verkaufen, merkantil zu verwerten ist. Wie sentimental doch diese „One-World“-Idiologie der 80er Jahre war! Doch mit der die aktuelle „Globalisierung“ durchdringenden Wachstums- und Gleichmacheridiologie, die uns alle zu bloßen Konsumenten und Verbrauchsidioten macht, ist sie samt ihrer Durchschlagskraft und Penetranz längst in die Gehirne eingesickert und scheint das Prinzip der Ökonomisierung zu einem scheinbar gottgegebenen Mechanismus gemacht zu haben. An dieser „Gottgegebenheit“ zu mäkeln, verstand ich auch einmal als Aufgabe. Es gilt ja das universell gültige Prinzip der Vermarktung und der Verkaufe. Die Diktatur des Marktes erkannte ich sowieso nie an. Was konnte angesichts dessen so etwas Altmodisches wie Individualität sein? Wie bemisst sich Qualität? Etwa in den Maßen des „Erfolgs“, den diese regierende Weltanschauung mit sich bringt? Was bedeutet überhaupt „Erfolg“?

Angesichts all dieser geschlossenen Sinnwelten und Erkennungszeichen der stets Bescheid wissenden Bewusstseinswarenverkäufer, gut gelaunten Schwätzer und professionellen Besserwisser wurde es mir immer wichtiger, Dinge so ins Wort zu bringen, dass sie möglichst viele Leute verstehen können. Es wurde mir zum Ehrgeiz, dem ich aber insgesamt viel zu wenig nachgekommen bin. Zum Anspruch, dem ich nicht genügt habe. Die Leute dadurch nicht für billig zu verkaufen, indem man ihnen Impulse zum kurzen Überdenken gibt, hielt ich auch für ein Anliegen der Musikkritik. Insofern war ich wie ein berufener Journalist, - viel mehr Journalist als Akademiker. Aber Journalist auch nicht recht, vielmehr „Musikkritiker“. Nachdenker über das Phänomen der Popmusik. Nicht der von allen Subventionen gedeckten und von den Verstehern geadelten Musik der „Hochkultur“! Keineswegs.

Dass es dabei für all die Bonvivants, die spitzmündigen Weinschlürfer und geschmäcklerischen Lebemenschen ein gängig bequemes Vorurteil war, mich als gescheiterten Musiker darzustellen und zu sehen, war mir bewusst. Doch seltsam, mir selbst erschien das alles ganz anders: ich hatte mich immer für Musik als Phänomen interessiert, ich trug meine Energie nur von einer Feuerstelle zur anderen, konzentrierte mich, „fokussierte“ mich – wie man es heute bezeichnen würde. Ich war kein gescheiterter Musiker, jedenfalls fühlte ich mich nicht so. Irgendwann später fing ich auch wieder an, selbst Musik zu machen. Freilich unter ganz anderen Voraussetzungen, mit anderem Horizont und Zielen.

 

Die regen Geister hingegen, die aufgeweckten Klassensprecher und geistigen Vorturner, die hatten mir immer heftig widerstrebt: mich hingegen interessierte auch das Dumpfe, das Unartikulierte, das Opfer und seine massenkompatiblen Deformationen. Der Punk. Der Dreck. Die langgestreckte Zeit als vorgefertigter „Erlebnisraum“, den auch mal der Alkohol ausschmücken darf (z.b. auf dem Volks- oder Straßenfest). Aber auch das Unmittelbare, das Erleben, das Gefühl als Erregung, das Bei-sich-sein. Es war und ist dies bei mir nie das kecke Kokettieren mit dem Proletentum. Oder der unverbindliche Flirt mit „dem Anderen“. Ich selbst war nämlich oft einer von den Vielen, auch dann, wenn ich mich extrem außerhalb und von der Masse der Menschen abgestoßen fühlte. Es ist so etwas wie eine Ambivalenz meines Lebens. Ich möchte solche Dinge aus meinem eigenen Widerspruch heraus immer besser verstehen. Dabei sein wollen und nicht dabei sein. Das erfahre ich selbst auch als komisch, als lachhaft. Aber es ist auch ein Dilemma der Soziologie (aus meinem Buch "Hinhören").

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