Die einen finden es eher gruslig, die anderen sind mit solchen virtuellen „Realitäten“ aufgewachsen: Hologramme und andere Projektionen könnten bei Live-Auftritten in Zukunft Popstars ersetzen. Besonders für tote Popstars wäre das ein großartiger Markt. Das Album oder der Tonträger hat ja längst seine wohlfeile Anziehungskraft verloren und ist zum farb- und konturenlosenlosen Download geworden. Körperlos. Anonym. Kaum wiedererkennbar ohne Abspielgerät. Umso wichtiger sind da Live-Konzerte geworden, bei denen die „Fans“ der leibhaftigen Anwesenheit ihres Idols huldigen können. Musikalische Leistungen oder „künstlerische“ Hervorbringungen sind dabei nicht mehr so wichtig: Wichtig ist das Charisma, die Vision der Einzigartigkeit eines solchen Individuums. Die Jesus-Heilsgeschichte in der Bibel, aber auch die Mohammed-Geschichten im Koran mögen vor vielen vielen Jahren ähnlich funktioniert haben und Entsprechendes nach sich gezogen haben. Es ging damals um Religion und es geht heute um Religion. Um Heilsbringer im Internetzeitalter. Legendär überhöhte Popstars wie David Bowie, Michael Jackson oder Elvis Presley dürften dafür eine gute Vorlage liefern. Einfach alle Bewegungen, optischen Erscheinungsbilder und scheinbar typischen Eigenheiten in einen Computer einlesen und das Gerät eine Vision ausspucken lassen. Ob als 3-D-Brille der Virtual-Realität, als Screen-Projektion oder als Hologramm: Wer auf solche Erscheinungen sozialisiert und damit programmiert ist, braucht keine Menschen aus Fleisch und Blut. Ähnlich wie bei den großen Religionen: was zählt, ist die „beglaubigte“ (als "heilig" angebetete) Projektion einer Person, natürlich nicht die Person selbst. Die hätte ja Hunger und Durst. Sie würde gelegentlich auch auf seltsame Weise ihrem Sexualtrieb nachgehen. Diese Star-Menschen würde seichen und scheisen: Igitt! Die würden bluten, spucken und kotzen. Eine Projektion wäre damit verglichen eine saubere Version, die auch jederzeit zu reproduzieren und klaglos ohne jegliche Krankheiten oder Befindlichkeiten einzusetzen wäre, die sich perfekt in technoide Abläufe einreihen würde und die – so die einschlägige Industrie – geradewegs ohne Fisimatenten zu vermarkten wäre. Marionetten an den Schnüren der Industrie. Eigentlich viel besser als Originalpersonen. Solche Avatare könnten auch in die Ewigkeit fortgeschrieben werden und bräuchten keinerlei „neue“ Künstler mehr, eine Aufgabe, mit der die einschlägige Industrie in den vergangenen Jahren sowieso überfordert schien. Wir durften uns da höchstens an von Kollektiven erdachte Megastardarstellerpuppen aus der menschlichen Rasse gewöhnen, die dann eine abnorme Egomanie vorlebten: Zeit für den nächsten Schritt.
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