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Jetzt auch noch Keith Emerson. Es wird neuerdings dann doch sehr unkontrolliert gestorben in der Rockmusik. Eine ganze Generation ist da am Abtreten. Haha, E, L&P waren Emerson, Lake & Palmer, großartige Musiker, gewiss, und deshalb auch sehr schnell weit vorne, was den Erfolg betrifft. "Lucky Man" etwa war ein Chart-Hit. „Take a Pebble“ wurde in den 70ern ein Hit, - aus heutiger Sicht unvorstellbar. Scheinbar wirres Zeugs, abgefahren, weit entfernt. Sie absolvierten weltweit ausverkaufte Tourneen. Da wühlte ein scheinbares hochbegabtes „Genie“ in den Tastaturen und ein Sänger, der mit einer für die Rockmusik sehr voluminösen Stimme ausgestattet war, tastete sich sachte vor in sensible Liedzeilen. „Alles Gigantismus“ wussten dann später irgendwelche Auskenner und nahmen auch das tatsächlich etwas aufdringlich zur Schau getragene ausgeflippte Großkünstlertum des Trios auf die Schippe. Nun, dem Affen Zucker zu geben, wurde ja auch erst später als ein konstituierendes Prinzip der Rockmusik erkannt. Es wurde anderen erlaubt, E, L & P nicht. Die waren plötzlich ein Sinnbild der Verirrung. Die verirrten sich in verschachtelten Großwerken, hatten mit der Mussorgsky-Bearbeitung „Pictures at an Exhibition“ eine Transkription geschaffen, mit der ganze Generationen von Musikunterrichtsschülern traktiert wurde. Wer erkennt das Motiv? Die können halt was! Dabei hatte Keith Emerson mit der unvergleichlichen Gruppe The Nice zuvor schon aufbegehrt, hatte ein Messer gegen die Orgel eingesetzt und war sie traktierend auf ihr herumgeturnt: Rebellion gegen das klassische Bildungsbürgertum, dem er gleichwohl mit seinen ausgeprägten Fähigkeiten imponieren konnte. Die bürgerliche Bildung mit der Wildheit der damaligen Rockmusik verbinden, das war überhaupt die Idee: sensationell das „Brandenburger“ der Nice, eine Johann Sebastian Bach-Adaption mit unglaublichen Steigerungen und Ausbrüchen, die ihre Themen vorführte, überführte und mit ihnen spielte. Das musste einfach jedem Keyboarder imponieren. Das haute rein! Und dann später Keith Emersons Exkursionen und Entdeckungsreisen auf dem Moog-Synthesizer. Der Synthesizer war ja noch ganz am Anfang, er war monophon spielbar, eine „Teufelsmaschine““ und ganz am Anfang seiner Entwicklung. Emerson versuchte ihn zunehmend in sein Keyboard-Spiel zu integrieren, stellte schroff gegenüber und trat auch hier wieder über Grenzen, er versuchte technisches Können mit Inspiration zusammen zu bringen. E, L &P wurden damals oft als Supergroup bezeichnet. Dass sie so viele Tonträger mit so sperriger Musik unter die Leute brachten, war wohl auch dem Zeitgeist geschuldet. Doch irgendwann waren sie untergegangen und von Keith Emerson war gar nichts mehr zu hören. Auch keine Solowerke mit esoterisch überzogener Klangsülze, - nichts.  Auch keine PR-wirksamen Auftritte bei Wohltätigkeitsfestivals. Der Mann schien sich vergraben zu haben. Ein bisschen Filmmusik, so hieß es. 2010 tauchte ein Trio E, L & P mit drei älter gewordenen Herren wieder auf, um eine Reunion-Tournee zu absolvieren. Sie soll kein großer Erfolg geworden sein. Nun ja, hip waren sie ja auch nicht gerade. Das waren in der kurzlebigen Popmusik andere geworden, mit Images, Äußerlichkeiten, Liebschaften usw. Das ist und war nicht die Welt von E, L & P. Ihre Bezüglichkeiten, ihr zeitlicher Kontext, ihre Konnotationen waren andere. Sie passten nicht in die Zeit und wurden als Dinos vorgeführt. Jetzt ist er weg. KE. Er hat tiefe Furchen und Spuren im Empfinden so manches Musikinteressierten hinterlassen.  

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