Seifige Schnulzen

Schnulzen sind ja sooo schön und haben zu recht ihren festen Platz in den Hitparaden. Herz und Schmerz, aufgeschäumte Gefühle und aufgestaute Triebe, süße Stückchen und schmachtendes Begehren: in so manch getragenem Sehnsuchtsliedlein scheinen sie ganz offensichtlich eine unwiderstehliche Verbindung einzugehen. Ein gefühlloser Klotz und ahnungsloser Jungspund, wer sich sich nicht von Lionel Ritchies geschwollenem „Hello again“-Tremolo oder zu Adeles "Hello"-Geschwulsten sanft einwickeln ließe, ein armer Tropf, der zu Elton Johns „Hard to say I’m sorry“ nicht zumindest heimlich mitschluchzen würde. Und wem es zu Celine Dions immergrüner Schmalzstulle „One reason in time“ nicht zumindest mal kurz warm ums Herz wird, der ist entweder ein Titan emotionaler Ignoranz oder er hat den Titanic-Film nie gesehen, - basta. Ganz besonders beliebt sind natürlich Trivialitäten, die sich scheinbar nie verbrauchen, wohlfeile Klischees, deren Muster immer wiederkehren und sich in immer neuen Titelzusammenstellungen der Plattenfirmen als Gleitmittel zwischenmenschlicher Kommunikation bewähren. Doch ist nicht die Liebe ein einziges Klischee? Oft ist der Grat zwischen wahren Gefühlen und falschen Gefühlen schmal. Ein Song kann ein Fingerzeig sein, in eine Richtung, der wir selbst das Ziel bedeuten.

 

Normalerweise kümmern sich die Trendsetter des Zeitgeists und Vertreter des fortgeschrittenen Popmusikgeschmacks wenig um solche Niederungen populären Musikkonsums. Allzu Gefühliges war lange verpönt oder zumindest verdächtig, Authentizität galt inmitten des Rapper-Geplappers und Boygroup-Frohsinns als abgeschlafft und abgeschafft. Doch gelegentlich gilt eine Adele etwas, auch eine Madonna ist allzeit wohlgelitten, obwohl deren Rezepturen so manchem ein bisschen allzu offensichtlich erscheinen. Ob da ein paar Stimmen nur mit den Wölfen heulen?  Verpönt sind manchmal Glamour und Stargehabe zugunsten des Image der symphatischen Jungs von nebenan, die nichts im Sinn haben mit künstlichen Synthesizerklängen, heulendem Gitarrenchaos und allzu wilden Rhythmen. Eine Möglichkeit. Ein Muster. Manchmal. Nicht immer. Nächsten Monat ist etwas anderes angesagt. Inmitten all der sich wirr  widersprechenden Trends und Strömungen scheint auch und immer wieder die Stunde der wahren Empfindung geschlagen zu haben in der Popmusik.  

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