Auf dem Rücken der Wale

Was ich gerade höre:

Mir gefällt ihre Art, wie sie mit ihrer Stimme umgeht. Singen? Ja, aber anders. Lisa Gerrard hat mit dem Duo Dead Can Dance beachtliche Erfolge eingefahren, und ist mit ihrer Musik längst auf die monetenträchtige Spur der Soundtracks eingebogen. Ob sie sich besonders gut auf gewisse Situationen oder Bilder einstellen kann? Ob sie das musikalisch ausdrücken kann? Mit Dead Can Dance hat sie inzwischen etliche Reunion-Touren absolviert, mit kleinem personellem Aufgebot, zu zweit, das spart Personalkosten und wird gerne als künstlerische Entscheidung ausgegeben. Elektronisch getönte Musik im Duo. Brendan Perry als männlicher Teil des Duos hat gelegentlich ein bisschen Akustikgitarre und seine ruhige Baritonstimme eingebracht (sehr gut zu hören auf  Brendan Perrys erstem Soloalbum "Eye of the Hunter" aus dem Jahr 1999). Sie hat  in ihrer lautmalerischen Fantasiesprache gesungen und die Keyboards gespielt: fast scheint es mir, als sei sie darin früher noch phantasiereicher gewesen. Klar, damals hat auch noch nicht jeder Musiklehrer zuhause an exotischem Klangmaterial herumgeschraubt und das Ganze dann zur Aufbesserung des Gehalts an das Fernsehen verkauft, wo es jetzt als Hintergrundsgedudel und akustische Hilfsillustration in unendlich vielen Variationen durch die Dokumentationen läuft. Ich höre „Whalerider“, was einst auch ein Soundtrack für einen Film über die Eingeborenen in Neuseeland und ihre Bräuche war. Sagen, Mythen, Überlieferungen.... das war natürlich die romantische Projektionsfläche für allerlei Weltrettungsphantasien. Heute scheint sich hierzulande etwa ein Tim Bendzko mit seinem größten Hit über eine solche Haltung ein bisschen lustig zu machen, was einer weit verbreiteten Haltung entspricht. Es scheint alles abgetragen, abgegriffen, second hand und verbraucht.

Freilich: Von hier aus hör- und sichtbar engagiert sich zum Beispiel eine Lisa Gerrard auch nicht für den Klimaschutz, der natürlich auch auf die Verhältnisse in Neuseeland einwirkt und indirekt in "Whalerider" eine Rolle spielt. Doch man schaut als alternder Rockstar meist, wo man bleibt. Ökoprobleme? Soziale Ungerechtigkeiten? Engagement? Das war einmal. Heute gilt es, alte Verdienste noch einmal möglichst gefällig gekonnt aufzuwärmen.Einstigen Protest, ranzig gewordene Inhalte noch einmal neu in klingender Münze abschöpfen. Wer würde heute etwas gegen einen solchen künstlerisch getönten Lebensstil haben? Aber das scheint ja die durchgängig gängige Einstellung von Rockstars der vergangenen Tage, - ist "normal". Samten gleiten Soundflächen hier und heute aus "Whalerider" in einen hinein, eine Zeit lang liefern wir uns aus. Es schien uns damals, als könne sie das alles besonders gut. Gerade sie. Nur sie. Genau das. Heute geht das unter in der Flut des formatierten und kodierten Könnergetues, das auch in Hollywood oder in der Werbung Verwendung findet. Kitsch? Klar. Hat bei ihr immer schon mitgeschwungen. Aber eine Zeit lang ließ man sich vorsichtig und wohl wissend darauf ein. Heutzutage ist das alles jedoch ein einziger unübersichtlicher Wust. Bespaßung. Lustgewinn.Lounge. Kick. Wellnessoase. Berieselung, Subtext und Hintergrund des Angenehmen. Die einstige New Age-Musik gibt es in diesem Ausmaß und in dieser Definiertheit ja auch nicht mehr, die dazu passenden Labels sind in ihre Nischen abgewandert, sind nahezu bedeutungslos geworden, haben dicht gemacht oder sind längst verkauft. Nur Lisa Gerrards Musik, die hat Identität. Die mag ich immer noch. Sehr sogar. Oft an Weihnachten. Ach. Besinnung braucht vielleicht Anlässe...

 

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