Hinhören auf Bauchnabeleien

"...Und dann gab es zunehmend die Schar derer, die sich „Singer/Songwriter“ nennen und die sich in einer oft filigran ausgestalteten Nabelschau gefallen. Ich war mit Joni Mitchell, Rickie Lee Jones, Suzanne Vega oder James Taylor aufgewachsen, bei denen das allgemein Soziale, ja manchmal sogar Politische, in einem delikaten Zusammenhang mit dem Persönlichen und Intimen stand. Inhalte mussten sich dazwischen immer wieder neu auspendeln. Das schien sich mir auch in ihren Texten auszudrücken. Doch dem Zeitgeist des Neoliberalen entsprechend ist dies ins zu Eindeutige abgekippt, die Spannung scheint nicht mehr spürbar. Jede dieser so ganz heutigen Figuren scheint auf sich und das eigene Seelenheil selbst konzentriert zu sein, der Zusammenhang mit dem, was über „Gesellschaft“ auf einen zukommt, wird da immer nebensächlicher. Der Mensch ist hier Einzelwesen und steht in keinerlei sozialem Zusammenhang mehr. Der einzige soziale Zusammenhang scheint da nur noch die ständig beschworene „Liebe“, die ja gleichzeitig etwas sehr Egomanisches hat und in der Marktwirtschaft oft funktionell zur Befriedigung eigener Bedürfnisse ausgerichtet ist. Die Liebe ist in ihren allen Facetten deutlich brüchiger geworden, ihr großer romantischer Gehalt hat sich verflüchtigt. Und so wird oft ein an alle Verlogenheiten des deutschen Schlagers erinnerndes Idyll beschworen, das weder auf die Rezipienten noch auf die Produzenten in ihrer Alltäglichkeit zutrifft. Doch damals (früher war halt alles besser!) war die Sicht auf den sehr persönlichen Ausdruck noch etwas Aufregendes, das Künstlerinnen wie Tori Amos gerne für sich mitnahmen und in ihr „Schaffen“ einbauten."

(Aus meinem Buch "Hinhören", erhältlich unter 

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