Weltmusik (1)

Ach was wurde da nicht alles Verheerende über die sogenannte „Weltmusik“ behauptet: dass sie Ausdruck eines Kolonialismus sei, dass sie das scheinbar Fremde auf oberflächlichste Weise eingemeinde, dass sie Authentizität simuliere, dass sie ein bloßer Marketingbegriff sei und vieles mehr. Schon Paul Simon hatte sich 1986 bei seinem Album „Graceland“ mit solchem idiologisch verbrämten Unsinn auseinander zu setzen. Als würde es die sogenannte Globalisierung oder die alternative "One World"-Bewegung nicht geben. Als würden die Angelsachsen noch immer alles bestimmen, was in der Popmusik passiert und als würden ein paar ewiggestrige Musikkritiker so ungeheuer zielgenau Bescheid wissen, wie halt nur sie es können. Sie wissen einfach ganz genau, was auf der Welt vor sich geht. Dass Musiker oft akustischen Reizen der oberflächlichsten Art nachgehen, um sie sich auf ihre Art einzuverleiben, dass sie ihr Publikum dabei mitzunehmen versuchen, dass sie wie ein Spiegel ihrer Umwelt Einflüsse aufnehmen, um sie in ihrem Sinne zu „verwerten“ und sie unter Einsatz der grellsten Klischees zu verwenden, dürfte eigentlich Kritikern aus Pop- und Rockmusik nicht ganz neu sein. Selbst Kritikern aus dem Jazzlager ist so etwas nicht ganz unbekannt.

In meinem E-Book „Hinhören“ steht dazu unter Verwendung eines früher (vor gut 15 Jahren) von mir erschienenen Artikels: „....die Entwicklung der Technologie hatte es mit sich gebracht, dass Instrumente der digitalen Klangerzeug und -bearbeitung im Laufe der achtziger Jahre nicht nur für Musiker in den Industrieländern, sondern auch für die Kollegen aus der Dritten Welt erschwinglich geworden waren. Klänge jeglicher Herkunft waren damit für nahezu jeden zu jedem Zeitpunkt verfügbar, sie waren käuflich zu erwerben - inzwischen auch über das Internet. Auf Wunsch war eine peruanische Hirtenflöte genauso schnell in den Sampler geladen und per Tastendruck zu bespielen wie eine afrikanische Darmzitter oder ein asiatisches Daumenklavier. Solche Klänge am Computer zu bearbeiten, sie neu zusammenzusetzen und zu bespielen gab von nun an ein amüsantes Puzzlespiel ab, mit dem unter Umständen sogar gutes Geld zu verdienen war. Den internationalen Finanz- und Datenströmen gleich sorgt der globale Austausch der Klänge inzwischen für eine fortwährende Vermischung und Angleichung der Standards, der Songs und Sounds: Popmusik als nicht-sprachlicher Universalcode, der alle verbindet. Doch solche Globalisierung zerstört auch regionale Verankerungen und reißt kulturelle Grenzen ein, sie macht Menschen mit unterschiedlichen Lebensbedingungen zu Nachbarn, die einerseits den freundlich multikulturellen Austausch miteinander pflegen, andererseits aber in einem Weltmarkt miteinander konkurrieren. Weltmusik ist der Soundtrack dazu, sie ist symbolischer Ausdruck und Spiegel solcher Entwicklungen. Musiker und Fans in Indien spielen inzwischen dieselben Instrumente und hören dieselben Platten wie ihre Pendants in den USA oder Europa.“ 

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