Wechselphantasien

Da mag manchmal der Eindruck aufscheinen, dass bestimmte Popmusik nur zu bestimmten Zeiten „relevant“ sei. Grundsätzlich mag die Popmusik inzwischen ein riesiger Steinbruch an Gedanken, Ideen, Stilen und Stilverweisen sein, dem manche meist journalistische Geister bestimmte Arten des Ausdrucks zuordnen, die sie dann „Stil“ nennen. Als könne und wolle man sich zu einer bestimmten Zeit nur auf eine bestimmte Art ausdrücken, um „relevant“ zu sein. Dies ist natürlich ein Relikt aus vergangenen Zeiten, als es noch Stile gab, die typisch für eine Zeit waren und sie nahezu abbildeten. „Progressive“ Musik stand für den vermeintlichen Fortschrittsglauben einer Zeit, der die allerhärtesten und sehr öffentlichkeitswirksamen diesbezüglichen Einschläge (Tschernobyl, Challenger, Bhopal u.a.) erst noch drohen sollten. Auch die Hippiemusik mag ein verschwurbeltes Abbild ihrer Zeit gewesen sein, so wie so manche andere Stile bis zu den achtziger Jahren. Doch diese Zeiten sind wohl spätestens seit der Postmoderne vorbei. Verweise anders interpretieren und in ein digitales Konzept einbauen ist beispielsweise eine Vorgehensweise, die derzeit sehr beliebt scheint. Auch das Vorführen alter eingeführeter Namen mit enstprechendem „Können“ und gelebter Popgeschichte erscheint sehr angesagt. Schnulzen und synthetische Produkte, die eine grassierende Gleichgültigkeit reflektieren, sind hingegen überwiegend ungewollte Reflektionen einer Zeit. Das technokratische Könnertum dominiert wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft. Einfälle, Inspirationen, seltsame Querverweise und unkonventionelle Gedanken scheinen da keinen Raum zu haben haben. Es gilt die gesellschaftliche Härte, die ganze gesellschaftliche Klassen von Menschen in den Abgrund stürzt und anschließend die allgemeine Prosperität feiert (die freilich nur wenigen Günstlingen zugute kommt). Insofern scheint es eher im übertragenen und gesamtgesellschaftlichen Sinne jene Relevanz zu geben, die vor allem schnelllebige und auf hektischen Wechsel (wie etwa bei den neuesten Automodellen) gerichtete Medienvertreter gerne einklagen. Doch so etwas scheint bei der Pop- und Rockmusik erstmal vorbei zu sein.

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