Punky Prinzessin

Jetzt zieht Patti Smith über die Bühnen und nennt das „Tournee“. Möglicherweise strahlt sie dabei eine Art von wohlfeiler Glaubwürdigkeit aus, die aus der Vergangenheit kommt. Aus der Zeit, in der Rockmusik noch etwas galt. Doch mittlerweile scheint reines Showbusiness daraus geworden zu sein, der subkulturelle Aufbruch ihrer Prägung scheint untergegangen zu sein. Es scheint vieles eine Frage des Könnens zu sein, das sich mit dem (gewinnbringenden) Umgang mit der (wichtigen) Vergangenheit verbindet.

Ich mochte an ihr immer, dass sie Risiken einging und sich im Dreck eines Mühens, verbunden mit einem Scheitern, wälzte. Jetzt scheint sie nach Vorankündigungen ihr komplettes Album „Horses“ mit entsprechend versiertem Personal noch einmal aufzuführen. Journalisten bezeichnen denn auch „Horses“ gerne als „eines der wichtigsten Alben der Rockgeschichte“. Es mag sogar etwas dran sein, nur aus völlig anderen Gründen als denen des Könnens. Dass sie das Risiko des Nichtkönnens einging, dass sie die Musik zu einer neuen Einfachheit und Unmittelbarkeit ohne den Swimmingpool der Reichen und Berühmten zurück führen wollte,  mag aus meiner Sicht wohl eher einer ihrer „Verdienste“ gewesen sein. Natürlich sind die Erinnerungen an ihren Fotografen-Freund Robert Mapplethorpe die Monstranz, die sie bei jeder Gelegenheit vor sich her trägt und immer wieder wortreich poliert. Nach meinem Empfinden scheint dies inzwischen etwas peinlich geworden zu sein. Es scheint sie aber immerhin zu einer Art Heiligen der Alternativen werden zu lassen, obwohl sie immer wieder in das Reich der Poesie geflüchtet ist und sich darin verdunkelt hat. Doch gerade dies mag für sie zum Trademark geworden sein, als gefeierte Großkünstlerin der Phantasie, die sogar zu Lyrikabenden eingeladen hatte und später für ihre Verdienste als Wortkünstlerin Literaturpreise gewann. Als Popkünstlerin füllte sie damals mit ihren Shows ganze Stadien. Pop und Rock waren noch naiv, Patti Smith war weniger Sängerin als vielmehr Poetin und wütende Wortschleuder.

Eine Zeitlang schien sie sich danach vom Showgeschäft zurück gezogen zu haben, sie heiratete den Gitarristen Fred „Sonic“ Smith von MC5, wirkte als Hausfrau, bekam zwei Kinder und ließ sich treiben. Danach starben dann die vier wichtigsten Männer in ihrem Leben in kurzer Frist: Ihr Ehemann, der Freund Mapplethorpe, ihr Keyboarder Richard Sohl und ihr Bruder Todd. Was privat wohl eine schwere Tragödie gewesen sein muss, verlieh ihr im Showgeschäft (als gängiger Mechanismus, siehe Clapton, Grönemeyer usw.) neue Glaubwürdigkeit. Sie scheint darüber endgültig zu einer Art Schutzheiliger des Punk, der Einsamen und Entwurzelten, der Außenseiter und der weiblich Emanzipierten geworden zu sein. Sogar als Vorläuferin von Madonna musste sie sich feiern lassen, wobei, wenn ich recht sehe, Welten zwischen ihren Universen liegen. Aber was ist mit Rebellion, Protest, Aufbegehren und frecher Feminismus? Beide stehen doch dafür! Dies dürfte bei Madonna dann doch viel mehr Berechnung gewesen sein, als bei Patti Smith. Madonna wollte allem Anschein nach ihre eigene Figur stilisieren, ihr eine vielfach geschminkte Glaubwürdigkeit geben. Sehr zeitgemäß, das. Geradewegs dem Neoliberalismus gemäß. Den üblichen Rollenerwartungen zu entsprechen und mit Schminke zu hantieren, das gehörte nicht gerade zum Bild einer Patti Smith. Zwei Alben nach dem 1975 erschienenen „Horses“ kam ihr von Bruce Springsteen geschriebener Titel „Because the Night“, mit dem sie einen Superhit auf allen kulturellen Kanälen landete und sich vom alternativen Image wegtreiben ließ. Mir ist noch dieser etwas geheimnisvolle Ton in Erinnerung, der den Titel damals durchzog, diese dunkle Unerklärlichkeit, die sich so absetzte von den grellen Oberflächlichkeiten, die im Popgeschäft damals aufkamen . Heute kann man den Titel kaum mehr hören: er ist ein typischer Oldie jener Zeit, ein Zitat, das jegliche innere Stärke in der dudelnden Masse der Musik verloren zu haben scheint. 

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