1993 schrieb ich unter der Überschrift „MIT JAMMERHAKEN UND WEICHEN KURVEN“ (wurde nie irgendwo veröffentlicht):
Die elektrische Gitarre "Stratocaster" wird 40 - In weichen Kurven schwingt sich ihr Corpus zum schlanken Hals, aber im Ton wird sie gerne scharf: die Stratocaster ist jetzt 40 Jahre alt und nichts hat sie von ihrem erotischen Reiz verloren. Der Rock steht ihr am besten, aber auch im Jazz machte sie eine gute Figur. Die Stratocaster, unter Musikern kurz "Strat" genannt, ist immer noch die populärste elektrische Gitarre der Welt. Angefangen hatte alles 1951, als der amerikanische Gitarrenbauer und Elektroniktüftler Leo Fender ein weiteres Modell zu der von ihm entwickelten ersten serienmäßig produzierten E-Gitarre "Broadcaster" suchte, die er später in "Telecaster" umbenannte. Fast drei Jahre lang bastelte Fender an dem Instrument, probierte aus und experimentierte mit immer neuen Materialien. Viel Zeit verwendeten Mr. Fender und sein Partner George Fullerton darauf, in den Clubs Bands anzuhören und sich bei den Musikern genau nach deren Bedürfnissen zu erkundigen.
Im Herbst 1953 war es dann soweit: Fender stellte seine Stratocaster der Öffentlichkeit vor, die besonders am "Jammerhaken", einem von Fender entwickelten Tremolosteg, Gefallen fand. Nicht nur mit diesem Merkmal setzte sich die "Strat" deutlich vom Modell "Les Paul" der Firma Gibson ab, das von 1952 an produziert, bis heute mit der Stratocaster konkurriert. Die beiden Gitarren geben im Grunde auch heute noch die zwei idealtypischen Vor- und Urbilder für alle E-Gitarren ab. 1954 ging die "Strat" in Serie. Der erste, der ihr verfiel, war Buddy Holly.
Hank Marvin holte als Gitarrist für Cliff Richard die erste Stratocaster nach England. Mit ihr spielte Marvin 1960 das für ihn, seine Gruppe The Shadows und die Stratocaster so charakteristische Instrumentalstück "Apache" ein. Jimi Hendrix, der geniale Neuerer und Linkshänder, trotzte ihr mit Verfremdungen und Verzerrungen völlig neue Klangdimensionen ab und revolutionierte damit die Popwelt. Er benutzte die Strat als Maschinengewehr, liebkoste sie mit der Zunge, nahm sie vieldeutig zwischen die Beine und spielte sie auf dem Rücken. Die von ihm während des Woodstock-Festivals gespielte weiße Stratocaster, mit der er die amerikanische Nationalhymne apokalyptisch verfremdete, erbrachte 1991 bei einer Auktion in London 168 000 Pfund - umgerechnet 430 000 Mark (ca. 215 000 Euro).
Weniger agressiv, dafür mit einem tiefen Blues-Feeling und großem melodischen Erfindungsreichtum, spielt Eric Clapton seine "Strat". 1988 begann Leo Fender in einer Sonderserie Einzelstücke für Rockgrößen anzufertigen, deren Unterschrift in das Instrument eingraviert wurde. Das erste davon ging an Eric Clapton. Aber auch Deep Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore, der Pionier des Hardrock, ward so gut wie nie mit einer anderen Gitarre gesehen und schuf seinen eigenen, scharf schneidenden und trotzdem voluminösen Strat-Sound, der auf der jetzt beginnenden Deep Purple-Tournee wieder zu hören sein wird. Pink Floyd-Gitarrero Dave Gilmour, ebenfalls ein typischer Strat-Spieler, nennt heute übrigens die Stratocaster mit der Serien-Nummer 0001 sein eigen. Weitere Gitarristen, deren Name untrennbar mit der Stratocaster verbunden werden, sind beispielsweise Nils Lofgren und der verstorbene Rory Gallagher. Sie werden am 15. September zusammen mit anderen Gitarristen zum 40. Jahrestag der Strat ein Konzert in Manchester bestreiten. Dabei wird die Jubilarin nicht nur in der Hand von Rockstars sondern auch als sechs Meter hohe Nachbildung im Bühnenhintergrund mit dabei sein.
Ergänzung 2015: Mittlerweile gibt es die Strat mehr als 60 Jahre. Es gab eine Kauf- und Zurückkauforgie von Leo Fender. Seit einiger Zeit kann man handgearbeitete Fender Stratocaster bei der Firma direkt als Sonderanfertigung bestellen. Ein Börsengang wurde offenbar abgesagt.
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