Trauerlieder

Was ich gerade höre:

Sie ist längst heilig gesprochen. Gilt als eine der großen Sängerinnen des Jazz. Doch gelegentlich kommt es mir vor, als höre ihr kaum jemand so richtig zu. Jetzt hat Cassandra Wilson ihr Album „Coming forth by Day“ mit Songs von Billie Holiday veröffentlicht und besonders die Alternativgemeinde des Pop wird darüber jubilieren, sind doch Musiker von Nick Caves Band dabei. Auch der vielgeliebte und -beschäftigte T-Bone Burnett hat ein paar subtile Einwürfe beigesteuert. Darüber hinaus Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs. Wow, das muss ja wohl was sein! In der Einleitung im Booklet wird ein bisschen herum geschwafelt, Mythen und Bewusstsein und so was. US-amerikanischer New Age halt, sülzig und süßlich. Klingt zu unverbindlich, im Gegensatz zu dieser CD.

Ich lege sie immer wieder auf, ich komme nicht von ihr los und werde von ihr hineingezogen: Billie Holidays Traurigkeit, diesem Allgemeinplatz der Jazzlexikons, gibt sie sängerische Konturen, macht sie für mich glaubhaft, - obwohl sie selbst als Cassandra Wilson womöglich weit davon entfernt ist. Aber es geht um tiefe Emotionen, um ein Scheitern, um eine traurige Zurückgenommenheit, um Pech, um vergebene Chancen, um eine Gestimmtheit, die die eigene Vernichtung berührt. Das alles kann eine Stimme transportieren, die CD zeigt's. Der Sound und der Geist von Billie Holiday lebe in unseren Ohren und in unserer Vorstellung, so ein gewisser Ashley Kahn im Booklet. Jaja, und das Gefühl, das sich in irgendeiner verrauchten Bar (gab's zu Billies Zeiten noch!) am Ende einer Gasse breitmacht. Nichtdoch. Der Produzent habe großen Einfluss gehabt und überhaupt, der vorliegende Titel „Coming forth by day“ gleiche der losen Übersetzung (ich denke an "Lost in Translation") eines ägyptischen Buches des Todes.

Mir gefällt die große Natürlichkeit in Cassandras Stimme, die Selbstverständlichkeit, die es nicht nötig hat, Wohlklang und technisches Können vorzuführen, die es einfach von selbst ausstrahlt. Eine reiche Innerlichkeit geht von ihr aus, jawohl. Melancholie? Sowieso. Muss bei Holiday-Liedern sein. Billie Holiday mit ihrer Musik in unsere Tage zu bringen. Sie hat es geschafft. Ihr die Rauheit von Nick Caves „Grinderman“ geben? Naja. Eine andere Rauheit hätte auch genügt. Ja klar, wir müssen jetzt nur noch zuhören. Und nicht nur über das Handy mal kurz den Kopfhörer anschließen. Das muss allerbeste Qualität haben, volles Rohr. Es kommt auf Nuancen an. Ohne Kompromisse. Wir können über solcher Musik meditieren. Einfach zuhören, sich in diesen reichen Klangbouquets treiben lassen und sich von dieser Stimme einhüllen lassen, ihr eine gewisse Zeit vertrauen, sich ihr anheimgeben. Eine Zeit lang diesen Weg gehen. 

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