Was Musik sein könnte

Wenn Musik tatsächlich schon in der Frühzeit kultisch-religiösen Charakter hatte und als göttliche Gabe angesehen wurde, die letztenendes auch zur Brautwerbung diente und ihren Zweck als ekstatisches Mittel zum Zusammenhalt der Gemeinschaft fand, dann wird uns einiges an der heutigen Popmusik klar. Wenn dann die Romantik als Reaktion auf die Aufklärung, die die Musik als Ausdruck der Vernunft deutete (was denn anderes?), die Musik als Ausdruck einer ganz eigenen emotionalen Wahrheit verstand und sich von allen rationalen Fesseln los wand, dann schälen sich aussagekräftige Hinweise heraus. Eine tiefere Wahrheit und ein subjektives Bild von der Welt sollte sie offenbaren, die Musik (natürlich als Ganzes!). Auch dies erinnert uns an manche scheinbar moderne Argumentation. Heute nun predigen uns Durchblicker der Kultur die Musik als eine jeweils eigene Welt: im Fahrstuhl und als Klingelton ist sie genauso präsent wie im Konzertsaal, sie taugt als funktional orientierte akustische Hintergrundtapete, die den Verkauf ankurbelt und kommt uns als Hörerlebnis avancierter Geister, die ihrem erlesenen Kunstgenuss so fröhnen, dass die Funktion einer Elitenbildung möglichst klar demonstriert wird. Ob sie in dieser Form eine „Wahrheit“ enthält, die gelegentlich sogar ein probates Mittel der Abgrenzung verspricht? Ob sich diese „Wahrheit“ den rationalen Zwängen entzieht? Oder ob nicht gerade die, die dies am lautesten predigen, die emotionale Aktivierung des Menschen und seine Begeisterungsfähigkeit für ihre Zwecke nutzen? Ob nicht die Popmusik eine wundersam oszillierende Zwischenstellung zwischen Kunst und Kommerz einnimmt, die in der Lage ist, auch aus Gründen ihrer universellen Käuflichkeit nahezu jeden anzusprechen? 

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