Pop

Was ist Pop? Es ist was es ist, ja klar. Aber davon mal abgesehen: Lassen wir unsere Gedanken doch ein wenig fließen! Wow, das klänge gut: Die Behauptung, Pop sei so, oder so.... oder ganz anders. Per Definitionem. Eherne Weisheiten, mit Löffeln gefressen. Die reine Lehre der Popakademien. Ganz besonders beliebt ist so etwas auch unter Journalisten. Die Zuspitzung. Die Pointe. Eine These, eine normative Setzung. Etwas, an das sich das „gemeine Volk“ halten kann. Eine Orientierung, manchmal auch ein Bonmot nur. Explizit. Implizit. Glaubenssätze. Dabei ist Pop ja so vielgestaltig! Nicht leicht zu fassen. Etwas extrem Widersprüchliches. Etwas,was überall in der Luft liegt und doch schwierig zu greifen ist. Schwierig zu begreifen (weil es ja auch viel mit dem unmittelbaren Gefühl zu tun hat, mit Personen und ihrer Umwelt, mit der Psyche und mit dem, was einfach sein könnte, es aber immer wieder nicht ist...und vielem anderem). Aber auch einfach. Ganz einfach. Das Phänomen Popmusik will langsam und behutsam eingekreist sein anhand von Beschreibungen aus verschiedenen Perspektiven: Ästhetik, Ökonomie, Gesellschaft, Werte. Das könnten Kriterien sein.

Pop ist eng verzahnt mit den verschiedensten Bedürfnissen der Gesellschaft. Natürlich ist Pop nicht nur Kunst. (So etwas wie „Kunst“ glaubt sich nur die hochsubventionierte „High-Brow“-Kultur und der Kunstmarkt leisten zu können). Pop ist auch nicht nur Wirtschaft. Womöglich ist es irgendetwas dazwischen. Ein Hin und her. Womöglich funktioniert das Phänomen manchmal genau dort nach Marketinggesichtspunkten, wo es sich als „unangepasst“ gibt. In der Popmusik zum Beispiel. Pop hat seine Musik.

Womöglich ist das, was heute als alternativ daherkommt, morgen schon Mainstream. Womöglich ist Mainstream ja gar nichts Negatives, sondern liegt in der Natur der Sache. Weil ja Pop populistisch und populär sein will. Mit Symbolen spielt, die möglichst viele ansprechen sollen. Es kommt ja womöglich nur darauf an, wer das besser kann. Die Zielgruppe genauer ansprechen und dann erweitern. Sich populär ausdrücken. Möglichst trivial. Möglichst verständlich. Den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ suchen. Die Gefühle der Vielen in einem einzigen Song fokussieren. Bedürfnisse, Stimmungen formulieren und für sich ausnutzen. Zu Geld machen. Möglichst so, dass es die jeweilige Zielgruppe versteht und dass es ihre Einstellungen bestätigt. Die Vertriebsbedingungen waren ja noch in den neunziger Jahren ideal dafür. Die großen Konzerne kanalisierten Pop und nahmen ihren Preis dafür. Alle im Popgeschäft lebten in einer Art Schlaraffenland, in dem es ständig um wachsende Umsätze, Macht und Geltungsdrang ging. Star. Superstar. Megastar. Als kulturelles Feigenblatt wurde gerne das Märchen von der Querfinanzierung aufgetischt: Die Umsätze der Großen bei den „Majors“ finanzieren das musikalische Schaffen der Kleinen und Unangepassten. Dabei war und ist so etwas bestenfalls Portfoliopflege zur künftigen Profitmaximierung. Marktwirtschaft diktiert die Regeln des Umgangs und Umlaufs. Die scheinbar Unangepassten waren deshalb auch bald „angepasst“, wenn es ums Geld ging. Diese scheinbar so Alternativen „Künstler“ hatten oft nur das Ziel, von ihren Managern und Vasallen einen möglichst hoch dotierten Vertrag aushandeln zu lassen: „We're only in it for the Money“, - aber das ohne Ironie, nicht wie bei dem frühen Frank Zappa!


Solche Einstellungen wurden in einer ersten „alternativen“ Phase gerne zugunsten eines aufrechten Künstlertums unterschlagen, während es in der darauf folgenden zweiten Phase als gutes Recht gedeutet wurde, das jedem Rockstar zustehe. Star. Superstar. Megastar. Als wiederkehrendes Mantra. Die Band R.E.M. und ihre Entwicklung hin zu gigantischen Gagen des Popbetriebs mag ein gutes Beispiel dafür sein. Aber auch Bands wie Metallica mögen so etwas illustrieren: Heuchelei auf allen Gebieten...., - aber vielleicht will ja Pop so eng moralisch gar nicht gedeutet sein: Popmusik ist ja auch ein Erbe der 68er-Generation. Was da Moral sucht? Ethik? Igitt! Alleine schon die Wörter....! Fun und Spass und Selbstverwirklichung: Ja!! Hedonismus ist Pop immanent. Genusssucht. Geld. Damien Hirst wäre wohl in früheren Zeiten Popkünstler gewesen neben Andy Warhol.

Pop ist ja auch die eingängige Melodie, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Völlig trivial. Und doch funktioniert es in nahezu jedem Gehirn. Popmusik könnte das folgende Selbstgespräch sein: „Verdammt, dies ist doch Schund! Wieso will ich das fortwährend hören? Wieso geht es mir nicht mehr aus dem Sinn?“ Solche Effekte sind vielleicht dicht dran am Geheimnis von Pop, machen einen Teil seiner Magie aus. Die Beatles waren nicht nur durchweg künstlerisch wertvoll, - behüte!! Sie schufen auch eingängige Melodien, Slogans, Texte, die eine Zeitstimmung einfingen. Ein subjektives Gefühl, das womöglich extrem der damaligen Zeit angepasst war und sie ausdrückte, andererseits aber auch heute noch aktuell ist. Ist es deswegen zeitlos? Vielleicht macht so etwas eine Art Zeitlosigkeit in der Zeitgebundenheit aus.

Das Einfache und Komplexe. Auch dasjenige, in dem sich soziale Gruppen selbst erkennen können. Sich definieren und konstituieren. Die Bescheidwisser zum Beispiel. Die Auskenner müssen sich abgrenzen von anderen. Die Experten, die es in allen Bereichen unserer Gesellschaft gibt. Die den Ton angeben und den Weg für alle anderen vorgeben wollen. Die sich selbst gerne als diejenigen deuten, die „weit über dem Massengeschmack“ stehen. Dem sogenannten Massengeschmack. Die „Avantgardisten“ und Vorausgeher. Diejenigen, die prinzipiell das Schräge und Kaputte gut finden müssen, bloß, weil es so ist, wie es ist, nämlich den scheinbar niederen Massenbedürfnissen nicht angepasst. Die sich dadurch als die Gruppe der zeitgeistigen Durchblicker definieren. Sich selbst und anderen das zeigen müssen.

Was Pop auch sein könnte: Möglichst vielen gefallen. Den Richtigen den richtigen Eindruck machen. Gefällig sein. Ein kurzer Reflex. Spiel. Flachsinn. Nicht Tiefsinn. Kleine Portiönchen, die 3,5 Minuten lang die Aufmerksamkeit der Konsumenten nicht überfordern, sondern sie kitzeln. Die auf den Punkt kommen. In aller Verschwurbeltheit und Ichbezogenheit geradlienig und verständlich für eine Zielgruppe sein. Ein Format ausfüllen.  

Ach, es ist dies ein Umkreisen mit Verallgemeinerungen. Heben wir also irgendwann noch einmal neu an! Tun wir das dauernd. Seien wir uns nie sicher! Vielleicht ist ja alles ganz anders. Was wichtig wäre: Nicht den einfachen Deutungen des scheinbar Einfachen zu glauben. Denn dies Einfache könnte am Ende komplex sein.

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