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Ein Blick aus Träumen

Ich habe wieder programmiert, live aufgenommen und verpennt: anders als in den vergangenen Jahren bei den 3Sat-Pop-Dauersendungen an Silvester blieb diesmal vor allem Wehmut zurück. Das Neue Jahr ist gekommen: die alten Helden treten nach und nach alle ab. Und mögen sie noch so dekadent geworden sein: Es stellt sich die Frage, was nach ihnen kommt. Die großen Zusammenführer jedenfalls nicht. Trotz allem Mainstream-Habitus: Taylor Swift, Justin Bieber und Lady Gaga sind uns dann doch ein bisschen zu wenig. Sie langweilen. Um große Integratoren zu sein, ist die Popszene mit ihren Figuren viel zu zersplittert. Dazu haben sich auch die Freizeitgewohnheiten der Leute zu sehr geändert. Die Generation, die mit der Rockmusik aufgewachsen ist, steigt jetzt gerade aus dem Kreis der Entscheider aus. Man hatte sich daran gewöhnt, dass immer noch eine weitere Tournee folgen würde, man hatte das Faltenrock-Geschwätz aufgenommen und bei den ersten drei Mal ein bisschen gegrinst, Und nun? Sendet 3Sat nach einem mehr als ordentlichen Mitschnitt eines Konzerts von John Mellencamp den Mitschnitt „Tom Petty in memoriam“. Der Mann ist gegangen, es bleiben ein paar gute Musiker bei seinen Heartbreakers zurück. Aber das Kapitel ist geschlossen.

Solche Leute waren Träger unserer Träume, unserer Visionen, unserer Neugier, unseres Wachseins und unseres Willens, ein bisschen über Vorherzusehende hinweg zu schauen. „Into the great wide open“. Nun ja, so weit offen waren sie dann doch nicht, diese Weiten, Sie waren und sind bedroht. Aktuell macht sie auch ein mit einer orangenen Frisur ausgestatteter Unsympath als Präsident planvoll zunichte. Und da trotz checks 'n balances in den USA alle an den Präsidenten als eine unerschütterliche Institution glauben, …... Wir hingen an diesen Leuten, die als Rockmusiker oft aussprachen und sangen, was wir nicht zu können glaubten. Sie sind oft genug weggesackt in eine satte Gutbürgerlichkeit. Aber machen wir uns nichts vor: viele von uns sind denselben Weg gegangen. Haben sich arrangiert. Haben den Tanz ums goldene Kalb mitgemacht. So gut es ging.

Jetzt bleiben uns noch eine Weile (wie lange?) Leute wie Jeff Beck, der alte Sack, der seine Gitarre so unglaublich intensiv behandeln kann, dass es einem kalt den Rücken herunter läuft. Wie geht das? Er spielt halt die ganze Bandbreite zwischen sehr leise und zärtlich und laut und wüst. Er hat abenteuerliche Skalen drauf. Klar ist er schnell. Aber wir erkennen ihn alleine schon an seiner Ausdrucksweise. Auch so einer macht heutzutage seine Routineauftritte. Schaltet auf Normaltemperatur. Gibt nur so viel, wie er muss. Spielt die Figur Jeff Beck vor. Um einen Vertrag zu erfüllen.

 

David Gilmour. Haha. Auch so einer. Was haben wir gelacht über die Pose mit dem mystischen Getue bei Pink Floyd! Mit den inhaltslosen Improvisationen und dem pompösen Gehabe. Diesen Luftnummern, die die Leute so beeindruckt hat. Aber man kann noch so viel gegen ihn ins Felde führen: er hatte einen Stil heraus gebildet, der wiederum viele andere beeinflusste. Er war voran gegangen in einer Zeit, als noch nicht alles festgelegt schien. Und hatte in einer speziellen Personenkonstellation seine Band mit voran gezogen. Meiner Meinung nach ehrt es ihn einigermaßen, dass er sich heute auf seine Musik verlässt und nicht die alten Mätzchen reproduziert wie etwa Roger Waters. Er bietet gepflegte Melancholie, in Töne gegossen. Damit ist er freilich nicht mehr alleine. Aber das kann ihm egal sein. Sie sind jetzt alle alte reiche Säcke und scheinen das zu verkörpern, gegen das sie und ihre Musik einmal waren. Und trotzdem: wir hängen an ihnen.       

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