Walter und Donald

Walter Becker ist gestorben, der Teil, die Hälfte von Steely Dan (SD). Sie hatten keine großen Hits, außer vielleicht den Titel „Do it again“ aus dem Jahr 1972. Unter Musikern freilich hatten sie nur Hits, sie waren das Objekt allergrößter Aufmerksamkeit. Sie wollten sich, wie sie manchmal in Interviews sagten, ja nicht zum Affen machen, nicht Teil eines Musiktheaters sein, sich im PR-Geschäft prostituieren und „verkaufen“, nicht Mähnen wehen lassen und die Leute von Bühnen aus zum Mitmachen anmachen (außer vielleicht bei den Tourneen in den letzten Jahren...). Über all diese Mechanismen schienen sie ihren Spott zu träufeln und sich eins zu lachen. Sie waren oft nicht sozialverträglich, liebten den schrägen Humor, das scheinbar unverständliche Zeugs, dem sie oft grinsend einen Dreh ins scheinbar Allgemeinverständliche gaben. Dass dies auch exakt dem musikalischen Geschehen bei SD entsprach, gehört zu den Wundern, denen man sich gegenüber spürte. Bei ihren ersten Alben scheinen sie mehr oder weniger von der populären Musik der USA auszugehen, scheinen ihre Bruchstücke zu gebrauchen, um sie in kleine Songkunstwerke umzubiegen, in denen benutzt, um geleitet, in neue Zusammenhänge gestellt und verfremdet wurde. Wie „The Boston Rag“ vom zweiten Album in mir funktionierte? Oder "Pearl of the Quarter"? Es schien mir von der ersten Anmutung ein Stück Rock auf SD-Art zu sein, entwickelte sich aber in mir immer mehr in Richtung auf eine Autonomie, auf eigene Gesetzmäßigkeiten, die sich aus ihreren eigenen Akkorden heraus wie aus einem Pumpwerk heraus entwickelten. Diese seltsam stechenden und dann wieder fürs Popgeschäft sehr untypisch weichen Gitarren! "Kid Charlemagne"! Wie gingen sie mir unter die Haut! Unterstellt war ja stets, dass so etwas wie Emotionen in ihrer Coolness untergegangen sei. Emotionen? Vielleicht im Mainstream-landläufigen-vordergründigen Sinne! Man musste meiner Meinung nach nur ihre musikalische Sprache draufhaben! Ganz im Gegensatz zum Popgeschäft schienen sich SD nämlich stets in Understatement zu üben: Untertreibung war ihr Geschäft, nie die Übertreibung, das Grelle, wie ansonsten im Popgeschäft üblich. Kumpelhaft waren sie nie, meist galt eine gewisse Distanz, eine gewisse Zweideutigkeit, die einen als Hörer fast um den Verstand bringen konnte. Mit der Zeit näherten sie sich immer mehr dem Jazz an, der ja in gewisser Weise auch Teil der US-amerikanischen Popmusik ist. Sie operierten mit dem, was das „Geschäft“ oft „The Fire below“ nennt, bevorzugten also eher indirekte als direkte Wege. Mit der Zeit wurden wir auch aufmerksam auf die Leute, die SD getreu begleiten: Roger „The Immortal“ Nichols etwa, der Soundingenieur, Gary Katz, der sinister wirkende Produzent, - sie schienen Teil der SD-Welt zu sein, die wir meist aus einer gewissen Distanz wahrnahmen, weil ja die beiden Hauptfiguren zumindest hier in Europa sich nicht allzu oft in Interviews geäußert hatten. „Gut so!“, so denke ich heute. Auch das Geheimnis zu wahren und es nicht öffentlich zu verkaufen ist ein Teil von SD. Obwohl die Doobie Brothers damals nicht nur räumlich von Los Angeles aus nahe schienen und auch vor allem der Sänger und Keyboarder Michael McDonald von dieser Seite aus so manche SD-Produktion bereicherte, waren diese Doobie Brothers damals der absolute Gegenentwurf zu Steely Dan, der freilich mit der Zeit einige Stilelemente von SD aufzunehmen versuchte.

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