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Mythos elektrische Gitarre

Die elektrische Gitarre ist ein Mythos der Rockmusik. Basta. Haha. Der gute Bono, der wohl auch (wie unter anderem die „Paradise Papers“ dokumentierten) als Steuervermeider recht gut ist, wollte damit wohl nach seinem berühmten Satz von der Gitarre, den drei Akkorden und der Wahrheit, die man dafür braucht, jetzt wieder mal nach vorne kommen. Doch er scheint unangenehme Bekanntschaft mit dem gemacht zu haben, was man „political correctness“ nennt. Der Lapsus, dass die Popmusik zu „Girly“, also zu mädchenhaft geworden sei, hätte ihm nicht unterlaufen dürfen. Und dass junge Männer nun nicht mehr wüssten, wie sie ihre Wut zum Ausdruck bringen sollten, hätte ihm im Zeitalter des „#metoo“ auch nicht passieren dürfen. Außerdem gibt es Frauen, die mit Gitarre auch ihre Wut sehr wohl zum Ausdruck gebracht haben, jawohl. Die sind auch richtig bekannt und berühmt. So etwas geht gar nicht. Ob es ein frühseniles Alterszeichen bei Bono ist? Die sind in der Popmusik auch ganz und gar verpönt. Die elektrische Gitarre jedenfalls ist und war immer so heilig wie jung. Seit den späten fünfziger Jahren. 

Elektrische Gitarre war ja damals noch ein Abenteuer und im Gegensatz zu heute ein völlig uncodiertes Instrument: es gab wenige Möglichkeiten eines „guten“ und „schlechten“ Sounds, die Hörgewohnheiten waren noch nicht festgelegt und programmiert, auf Genres, auf Konventionen und auf kleine, per Klick auf- und abrufbare Programme, die abgespeicherten Wohlklang bescheren. Hank Marvin hatte einen Stil, hatte die Vision, mit dem von einem gewissen Lerry Jordan geschriebenen Song so etwas zu veranstalten, diesen einen Sound zu entwerfen. Er fing damit Zeitgeist ein, er fügte seinen phantastischen Gitarrenlinien einen Hauch von sechziger-Jahre-Ponderosa, von Hoss und Ben Cartwright und all dieser legendären Western-Romantik hinzu, er ließ seine Stratocaster an dicken Straßenkreuzern mit Heckflossen vorbei fliegen, die für ihn, den Engländer, in der grauen Wirklichkeit ja meist fürchterliche Vauxhalls waren. Er veranstaltete eine kleine Revolution in den Gehörgängen. Und: Er war der ideale Begleiter für Cliff Richard, dem er mit den Shadows eine persönliche Note, etwas Prägendes und Eigenes gab. Wunderbar, wie das Jeff Beck mit einer Verneigung vor dem großen Gitarristen und Gitarrenbauer Les Paul in wenig mehr als drei Minuten erzählt. Wie humorvoll er da mit den großen, prägenden Einflüssen seiner Jugend spielt! Da ist „Peter Gunn“ auch, von Duane Eddy und Art of Noise vor nunmehr auch schon 25 Jahren noch einmal neu mit Samples und aller tricky eingesetzten Künstlichkeit aufbereitet. Titelmelodie einer Fernsehserie der Sechziger. Dekonstruktion? Was für ein Quatsch, solche verkopften Definitionen! Es sind vielmehr Raffinement und Humor, die solche Wiederaufnahmen prägten. Rockybillystil, Skiffle, Jeff Beck lässt das zusammen mit Leuten wie Brian Setzer, Imelda May oder Gary U.S. Bonds noch einmal auferstehen. Aber er macht kein Muster daraus, keine Masche. Er spielt vielmehr mit dem damaligen Zeitgeist. Er kitzelt unsere Phantasie und führt sie nicht vor, wie etwa die meisten Filme, die aus heutiger Sicht diese Zeit und ihren Geist wieder aufzunehmen versuchen. Er spielt offenbar mit viel liebevollem Humor etwas an, das man vielleicht nicht unbedingt idiologisch aufblassen sollte. Ob sich Bono etwas davon abschaut, oder ob er sowieso nur nach guter alter PR-Art provozieren wollte? 

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